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x-Wege in den Journalismus: die Fachjournalistin

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 Ein Onliner arbeitet anders als ein Lokalreporter, ein Hauptstadt-Korrespondent anders als ein Radiomoderator. Weil jeder etwas anderes drauf haben muss, gibt es so verschiedene Wege in den Beruf. Auch ins Haus der Presse haben es Journalisten auf ganz unterschiedliche Weise geschafft. Wir haben uns auf die Suche gemacht und fünf Typen entdeckt. Nummer Zwei: Nora Miethke, die „Volkswirtin vom Dienst“.

Schon in der 7. Klasse stand für mich fest, ich will Journalistin werden. In der DDR war das nicht so einfach. Man musste vor dem Studium ein Volontariat bei einer Zeitung machen, die einen dann zum Studium nach Leipzig delegierte. Ich hatte Glück und bestand die Eignungsprüfung für ein Volontariat bei der überregionalen Zeitung „Neue Zeit“, musste jedoch nach dem Abitur ein Jahr auf den Beginn der Ausbildung warten. In dieser Zeit fiel die Mauer. Plötzlich standen mir die Unipforten offen. Doch statt gleich zu studieren, entschied ich mich, erst einmal das zweijährige Volontariat zu absolvieren, um zu sehen, ob das wirklich der richtige Beruf für mich ist.

In meiner Fantasie sah ich mich später Filmrezensionen und Theaterkritiken schreiben. Ich wollte Theaterwissenschaften oder Germanistik studieren. Die Ausbildung bei der Neuen Zeit zeigte mir jedoch, dass mir die leichte feuilletonistische Feder fehlte. Ich empfand mich als zu rational, zu nüchtern. Nun war guter Rat teuer. Was studieren, um später journalistisch arbeiten zu können? Geschichte? Politik? Auf einem Volontärstreffen der FAZ (die Neue Zeit gehörte dem FAZ-Verlag) riet mir der Chefjustiziar des Verlags: „Denken Sie doch mal über ein Studium der Volkswirtschaft nach. Das beinhaltet wirtschaftliche, politische und rechtliche Aspekte – eine super Grundlage für den Beruf. „Kurz zuvor war ich in meiner letzten Volontärsstation, der Wirtschaftsredaktion, mit den Worten begrüßt worden: „Wir wissen, dass sie nicht gern zu uns kommen. Aber keine Angst, sie müssen keine Bilanzen lesen.“ Zwei Woche später kam ich in die Redaktion und erstaunte meine Wirtschaftskollegen mit der Ankündigung, nun Volkswirtschaft studieren zu wollen.

Nora Miethke Fotos: B.Veltzke
Nora Miethke                      Fotos: B.Veltzke

Ich habe die Entscheidung nie bereut. Man lernt die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu analysieren, die hinter vielen politischen wie privaten Entscheidungen stecken, welche Verhaltensmuster sie bei Menschen und Unternehmen auslösen können – wie etwa aktuell den Zusammenhang zwischen niedrigen Zinsen und dem Run auf Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser. Man erhält eine Ahnung von internationalen Wirtschaftsbeziehungen, lernt die Regel- und Anreizsysteme in der Wirtschafts- und Sozialpolitik kennen, versteht am Ende, warum die Marktwirtschaft besser funktioniert als die Planwirtschaft, aber der Markt nicht immer alles allein richten kann.

Während ich im Herbst 1999 nach meinem Uniabschluss am Schreiben von Bewerbungen saß, rief eines Tages ein ehemaliger Kommilitone an, der im Verlag der Sächsischen Zeitung arbeitete. „Nora, die SZ sucht dringend Wirtschaftsredakteure. Ich weiß, der Internationale Währungsfonds taucht nicht auf der Titelseite auf, aber bewirb dich doch mal“, forderte er mich auf. Auf der Fahrt nach Dresden zum Bewerbungsgespräch überlegte ich mir nur die Antworten auf zwei Fragen: Warum will ich zur SZ? – und – Warum will ich nach Dresden? Auf die Frage, was ich von der Steuerreform von Bundesfinanzminister Hans Eichel hielte, sagte ich damals ehrlich, dass ich das Reformpapier noch nicht gelesen habe. Es war einen Tag zuvor veröffentlicht worden. Es schadete mir nicht. Ich bekam die Stelle und begann am 1. Dezember 1999 meinen Job als Wirtschaftsredakteurin in der Sächsischen Zeitung.

Heute bin ich stellvertretende Ressortleiterin für die Wirtschaft. Meine wichtigsten Aufgaben sind Blattmachen (Planen, Texte redigieren, ab und zu Seitenproduktion) und schreiben. Der überwiegende Teil meiner Arbeitszeit geht für die organisatorische Arbeit drauf. Ich wähle aus der Fülle Informationen die wichtigsten für unsere Leser aus – nach Aktualität, regionalem Bezug und Relevanz für ihr Leben. Wegen des begrenzten Platzes besteht die Hauptaufgabe am Tag darin, zu entscheiden, welche Nachrichten bleiben auf den Wirtschaftsseiten, welche fliegen raus.

Beim Schreiben bin ich oft die „Volkswirtin vom Dienst“. Ich muss zum Beispiel die Ergebnisse der Euro-Rettungsgipfel, die aktuelle Konjunktur- oder Inflationsentwicklung oder die Bankenkrise kommentieren und in Hintergrundartikeln erklären.

Die Berichterstattung über die europäische Schuldenkrise ist derzeit einer meiner Schwerpunkte. In einem Wirtschaftsressort mit vier Redakteuren können wir uns aber nicht nur mit unseren Spezialthemen beschäftigen, sondern müssen uns ständig und schnell in neue Themen einarbeiten – von der Energiewende bis zur Datenflatrate der Deutschen Telekom. Da hilft mir mein Volkswirtschaftsstudium sehr, die oft komplexen Sachverhalte und wirtschaftlichen Zusammenhänge dahinter zu verstehen. Dabei muss man nicht nur die Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage kennen, sondern auch die unterschiedlichen Interessen in Unternehmen von Vorständen, Betriebsräten, Kunden und Mitarbeitern bzw. in der Politik von Politikern, Gewerkschaftern und Lobbyisten recherchieren und auch Bilanzen prüfen.

Das ist alles ganz schön viel. Da hilft nur, so oft wie möglich rausgehen aus der Redaktion: Firmen besuchen und sich selbst ein Bild machen, Fachtagungen besuchen, um das eigene Wissen mit neuem Input aufzufrischen und viel lesen in Wirtschaftsbüchern, Fachjournalen und anderen Zeitungen. Denn meistens wiederholt sich alles und so stellt sich im Laufe der Jahre auch eine gewisse Routine ein.

Meinen Zugang zum Journalismus über ein Fachstudium würde ich wieder so wählen. Denn sich während der Arbeit Fachwissen anzueignen, ist sehr mühsam und meistens fehlt im Redaktionsalltag die Zeit dazu.

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