Das Bild zeigt eine Kombination aus einem Porträt von Fionn Klose, Praktikant bei der Sächsischen Zeitung, und einem Bild von der Gegendemo zum Afd-Parteitag in Riesa
Erfahrungsbericht

Der „Call of Duty“ des Fionn

Längst vergangene Demonstrationen wurden Geschichtsstudent Fionn Klose schnell zu öde. Lieber will er sie selbst erleben! Ein Praktikum in der Politikredaktion der SZ ist da genau das Richtige, denkt sich Fionn – und er hat Recht. Hier schreibt er über seine Erlebnisse und zieht Halbzeitbilanz.

Bevor ich an meinem ersten Praktikumstag ins Haus der Presse gehe, muss eine Beruhigungszigarette auf jeden Fall noch sein. Und eine Flasche Wasser vom Bäcker. Ich bin wirklich sehr nervös und die ganze Zeit dreht sich ein Gedankenkarussell in meinem Kopf: Mit welchen Leuten werde ich da zu tun haben? Was für Aufgaben kommen auf mich zu? Das sind nur einige Fragen, die da auf dem Karussell ihre Runden drehen.

Doch als ich in die Politikredaktion der Sächsischen Zeitung eintrete und mich schon einige RedakteurInnen und die Sekretärin sehr freundlich begrüßen, legt sich die Nervosität erstaunlich schnell wieder. Ich werde zum Büro eines Kollegen geführt, der gerade im Urlaub ist. Holla die Waldfee, ich mach ein Praktikum und hab mein eigenes Büro. Das ist schon mal kein schlechter Anfang.

Und dann geht es auch schon los mit der ersten Aufgabe. „Geh mal die Zeitungen der letzten Tage durch und suche dir ein Thema, das du bearbeiten willst.“, sagt meine Chefin zu mir. Alles klar! Seit Beginn meines Praktikums recherchiere ich nun zum Thema Studienabbruch. Und das wirklich komplett selbstständig mit Interviews, Terminvereinbarungen und eigener Recherchearbeit. Ich hole Wasser und Kaffee, aber nur für mich selbst. Ich denke, dass das jetzt das Thema ist, mit dem ich mich die gesamten sechs Wochen beschäftigen werde. Aber weit gefehlt.

Schon am zweiten Tag gehe ich mit zu einer Pressekonferenz in die Staatskanzlei. Es geht um die „Konsolidierung von Förderprogrammen und Weiterentwicklung der sächsischen Förderstrategie“. Ein Thema, was für mich als Unwissender auf jeden Fall nicht so spannend ist wie für die Kollegen, von denen manche wirklich auf heißen Stühlen sitzen. Aber es ist schon interessant, im Medienzentrum der Staatskanzlei zu sitzen und beobachten zu dürfen, wie Martin Dulig ausgefragt wird.

Am 18. Juni fahre ich dann zur Gegendemo zum AfD-Bundesparteitag in Riesa. Bei gefühlten 60 Grad im Schatten bin ich schon neidisch auf die KollegInnen, die da gerade in der klimatisierten Halle sitzen. Ich ziehe mit meiner Kamera und zwei Kollegen aus der Lokalredaktion los und wir begleiten die Demo. Am Ende kann ich sogar noch ein paar Informationen von meinem Notizblock in den Artikel schreiben. Natürlich ist es auch echt cool mit polizeilichem Segen in einen Bereich zu kommen, den nur Pressevertreter betreten dürfen.

In der nächsten Woche bekomme ich den Auftrag, zu einer Pressekonferenz des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs zu gehen und darüber zu berichten. Und dann schreibe ich auch schon meinen ersten Artikel, der auch in der Printausgabe veröffentlicht wird. Einen Tag später schiebe ich sogar noch einen Kommentar zum Thema Ausbau des Radverkehrs in Sachsen hinterher. Stolz wie Bolle rufe ich meine Mutter an, die sich sogleich eine Zeitung kauft. Danach schreibt sie mir eine Mail, in der sie mich für die gute Rechtschreibung und Grammatik lobt. Sogar die Kommasetzung würde stimmen.

Neben dem Text zum Studienabbruch schreibe ich jetzt noch einen Artikel über die Flüchtlingssituation in Sachsen. Meine ersten drei Wochen sind echt interessant und ich bin gespannt, welche Themen in den nächsten drei Wochen folgen. Ich weiß schon jetzt, Journalismus ist meine Berufung. Mein ganz persönlicher „Call of Duty“.


News

Eine Woche Berliner Luft schnuppern

Ein kleines Büro der Politikredaktion liegt außerhalb von Dresden. In Berlin arbeiten die beiden Korrespondenten Peter Heimann und Sven Siebert. In einer Sitzungswoche des Bundestages haben sie mir als Volontärin gezeigt, wie es vor und hinter den Kulissen zugeht.  

Montag

10.30 Uhr Pressekonferenz im Tagungszentrum: Die Krankenkasse Barmer und die Bertelsmann-Stiftung stellen das Ergebnis einer Umfrage vor: Der Ärztemangel ist bei den Patienten noch nicht angekommen.

11.30 Uhr Regierungspressekonferenz: Die Sprecher der Ministerien und der Regierung stehen den Journalisten für Fragen bereit: Besonders begehrt sind das Finanz- und Wirtschaftsressort. 

Dienstag

9.30 Uhr Pressefrühstück mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU: Er spricht über den Ablauf der nächsten Bundestagssitzungen und die Arbeit in den Ausschüssen.

11 Uhr Briefing zu Bundestagssitzungen II Weißwurstessen in der Bayerischen Landesvertretung: Die CSU-Spitze wird von Journalisten zu Äußerungen von Bayerns Sozialministerin gefragt. Haderthauer erntet scharfe Kritik aus eigener Partei. Die Landesgruppenchefin wirft ihr eine Sprache vor, „die nahe an die Erpressung geht“.

15 Uhr Fraktionssitzungen der Parteien I: Vor den Räumen der Fraktionsebene lungern viele Kameraleute, um einzelne Abgeordnete abzufangen und ihnen Statements für die Nachrichten abzuringen. Es geht um O-Töne zum Bombenfund am Bonner Hauptbahnhof, aber auch die Frage, was die Bundestagsmitglieder sich fürs neue Jahr vornehmen und nicht zuletzt, was sie Gotthilf Fischer zum 85. wünschen.

17 Uhr Fraktionssitzungen der Parteien II: Jetzt hocken auf der Fraktionsebene die Journalisten der Nachrichtenagenturen herum. Sie warten auf die Sprecher der Fraktion, die verraten, was sich in den Sitzungsräumen abspielt. „Unter drei sage ich Ihnen…“

Mittwoch

9.30 Uhr Journalistenrunde mit Gregor Gysi: Wird die Linke es im Januar in den niedersächsischen Landtag schaffen? Und im September in den Bundestag? Die Linken können es nicht alleine richten, Gysi macht es auch von der Bevölkerung im Land abhängig: Wenn es den Leuten gut geht, werde nicht links gewählt.

12 Uhr Gemeinsamer Auftritt von Steinbrück und Trittin:  Sie stellen einen Antrag zur Schaffung einer Bankenunion vor. Blitzlichtgewitter. Ihr Ziel: die Bändigung der Finanzmärkte die Bekräftigung der rot-grünen Wahlkampfbrüderschaft

13 Uhr Bundestagssitzung TOP 1: Gesetz zur Beschneidung. In zwei Stunden werden drei Grundrechte gegeneinander abgewogen: Was ist am wichtigsten: Kindeswohl, Religionsfreiheit oder elterliche Sorge? 

Donnerstag

9 Uhr Regierungserklärung von Angela Merkel vor dem Europäischen Rat in Brüssel:In einer sich verändernden Welt müssen wir selbst den Mut zur Veränderung haben.“ Danach ist Sigmar Gabriel dran: „Das ist doch verrückt, wie Sie Deutschland regieren.“

11.30 Uhr Interview mit Katja Kipping: Die linke Bundestagsabgeordnete aus Dresden ist den testeron-gestuerten Politikstil im Land leid.

13 Uhr Briefung zur Bundesratssitzung in der Sächsische Landesvertretung: Was ist alles im Vermittlungsausschuss hängen geblieben? Neues Vokabular: A- und B-Länder, echte und unechte Beschlüsse

Freitag

9.30 Uhr Bundesrat: Die Mehrheit der Ministerpräsidenten will die NPD „ins politische Nichts befördern“ und stimmt dem Antrag zu, ein Verbotsverfahren einzuleiten. Das ist nur einer von 70 Punkten auf der Tagesordnung.

12 Uhr NSU-Untersuchungsausschuss: Finanzminister Wolfgang Schäuble wird als Zeuge befragt, er war Innenminister, als die Mordserie in Deutschland weiterging.

Notiert von Dagny Rößler.

News

Als Nachrichtenjournalist zum Universalgenie

Volontäre stellen sich vor: Sandro Rahrisch (27) schreibt gern kurz und knapp das Wesentliche auf und verbessert so im Volo seine Allgemeinbildung.

SandroKlick gemacht hat es, …

 als mich der Direktor bat, die Sanierung der Schule mit der Videokamera festzuhalten und Beiträge für die Schulhomepage zu produzieren. Ich schnappte mir die Kamera der Eltern und verfolgte die Bauarbeiter auf Schritt und Tritt. Danach wollte ich eigentlich zum Fernsehen, habe mich aber bei der Sächsischen Zeitung um ein Praktikum in Radebeul beworben und festgestellt: Hier lernst du das Schreiben gründlicher und bist beim Texten nicht so stark ans Bildmaterial gebunden.

 Vor dem Volo hätte ich nicht gedacht, … 

dass man als Journalist zum Universalgenie für Käseimitate, Videoüberwachung, EU-Agrarsubventionen und Bierflaschenhälse werden kann.

 Mein Leben ohne Journalismus hätte so aussehen, …

 dass ich meine Studienrichtung, Politikwissenschaft, als Doktorand weiterverfolgen würde.

 An diese Geschichte erinnere ich mich oft…

 Ein Tornado legte 2010 viele Häuser in und um Großenhain in Schutt und Asche. Als ich wenige Tage später zwei Familien besuchte, deren Heim plötzlich nicht mehr existent war, war das eine Gratwanderung. Ich merkte schnell, dass ich mit vorbereiteten Fragen nicht weiterkam, weil diese Menschen über ihr Schicksal und ihre Erinnerungen frei erzählen wollten. Sich als Journalist zurückzuhalten und kaum Fragen zu stellen, war eine ungewohnte Situation für mich, für die beiden Geschichten aber absolut notwendig.

 Ich bin Spezialist für…

 Nachrichten, Meldungen, Berichte und Features. Sie zwingen einem, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht abzuschweifen.

 Dass ich bei der SZ richtig bin, habe ich gemerkt …

 als ich meinen Ausbildungsplan zum ersten Mal las: Neben der vierteljährlichen Rotation von Ressort zu Ressort, wie es bei den meisten Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern üblich ist, gehört ein Lehrgang an der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg und ein Aufenthalt im Berliner Korrespondentenbüro zu meinen Stationen.