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„Im Osten, dachte ich mir, da ist was los!“

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Alte Journalisten gehen – junge kommen. Stefan Rössel war einer der Redakteure, die kurz nach der Wende in eine ostdeutsche Redaktion wechselten. Nun geht der Journalist, der für die Sächsische Zeitung zuletzt über den Dresdener Süden schrieb, in Rente. Britta Veltzke, die neue Volontärin, sprach mit ihm über seinen Start in Sachsen vor 23 Jahren sowie über den Journalistenberuf heute und früher.

Du kamst vor über 20 Jahren an einen Ort, an dem lange Zeit der Staat bestimmte, was in der Zeitung stehen darf. Musstest Du deinen neuen Kollegen erklären, wie kritischer Journalismus funktioniert?

Es gab durchaus einige, die noch in der DDR ihre Lücken gefunden haben, um sich kritisch mitzuteilen. Die Kollegen waren da sehr unterschiedlich – auch je nach Blatt. In der DDR gab es ja mehrere Zeitungen. Jede Blockpartei hatte ihre eigene. Die Sächsische Zeitung war das Organ der SED (Soziallistische Einheitspartei Deutschlands), die Dresdner Neusten Nachrichten gehörten zu der liberalen Blockpartei LDPD. Die Kollegen bei der Union, die Parteizeitung der Ost-CDU, waren da die fittesten, hatte ich den Eindruck.

Wie wurdest du von deinen neuen Kollegen empfangen? Als Bessi-Wessi?

Wir Neuankömmlinge wurden mit einigem Abstand beäugt. Diejenigen, die in dem System früh wachgeworden waren, hatten da weniger Berührungsängste.

Wie bist du denn überhaupt nach Dresden gekommen?

Ich war Büroleiter des Deutschen Depeschen Dienstes, ddp in Frankfurt – die Agentur, die jetzt als dapd den Bach runter geht. Als das Frankfurter Büro dicht gemacht wurde, war ich arbeitslos. Die Situation für Journalisten in Westdeutschland war zu der Zeit nicht so einfach. Und im Osten? Dachte ich mir, da ist doch was los! Also habe ich bei Gruner und Jahr angefragt. Das Verlagshaus versuchte sich gerade mit einer neuen Zeitung auf dem ostdeutschen Markt: der Morgenpost (MoPo), ein Abbild der Hamburger MoPo. Die gehörte damals noch zu Gruner und Jahr. Der Verlag bot mir also zwei Stellen an. Eine in Chemnitz und eine Dresden. Die Entscheidung zwischen Industrie- und Kulturstadt fiel mir nicht schwer. Obwohl ich vorher noch nie dort war, dachte ich mir: Dresden ist okay. Und das hat sich auch gelohnt.

Was war früher die größte Herausforderung?

Telefonieren. Telefonieren mit der Bundeshauptstadt. Die Leitungen waren einfach zu eng. Es dauerte eine Stunde, bis die Leitung nach Bonn stand. Du musst frühzeitig wissen: Hier geht alles ein bisschen langsamer, sagte ein Kollege zu mir, als ich dort anfing. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ja, die materiellen Voraussetzungen waren damals schon anders, als ich es gewöhnt war. Ansonsten war die redaktionelle Arbeit aber sehr ähnlich.

Und heute? Was hat sich geändert?

Der zeitliche Stress hat erheblich zugenommen. Wer hält heute noch seine Kernarbeitszeiten ein? Der Druck hat sich vervielfacht.

Stell Dir vor, du wärst jetzt 20 Jahre alt. Wärest du wieder Journalist geworden?

Wenn ich mir vorstelle, ich wäre 20 Jahre alt, muss ich mir auch vorstellen, ich hätte nicht die Erfahrung, die jetzt habe. Das kann ich nicht. Also, nach heutigem Verstand: nein! Ich hatte etwas Aufklärerisches im Sinn. Aber von meiner ursprünglichen Idee dieses Berufs, die Menschen über das aufzuklären, was Schlechtes passiert, ist in den letzten Jahren nicht viel übrig geblieben.

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