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x Wege in den Journalismus: die Alte Schule

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Er macht diesen Job seit fast 40 Jahren. Und das immer noch mit Freude – meist jedenfalls. Er hat in zwei Systemen und in zwei Ländern gelebt und geschrieben. Der Außenpolitik ist er bis heute treu geblieben. Ein konservativer Traditionalist ist er aber nicht gerade. Nummer Fünf: Uwe Peter, der Dino.

Ich bin ein alter Sack. Als ich in den Journalismus einstieg, waren die meisten anderen in dieser Serie noch nicht einmal geboren. Und mein Weg in diesen Beruf ist schon deshalb Historie, weil ihn so heute niemand mehr gehen kann. Somit ist dieser Beitrag hier eher eine Geschichtslektion als eine Gebrauchsanleitung zum Nachleben. Journalistisch „erwischt“ hat es mich schon zum Schuljahresbeginn der 8.Klasse im September 1968. Die Warschauer-Pakt-Truppen waren gerade in der CSSR einmarschiert, um den „Prager Frühling“ mit Panzern platt zu walzen, und meine Dresdner Schule bekam den Auftrag, jemanden in die damalige Jugendredaktion der „Sächsischen Zeitung“ abzukommandieren. Da ich einigermaßen unfallfrei Aufsätze schreiben konnte, wurde ich zum Freiwilligen ernannt. Immerhin: Ich kannte die „SZ“. Sie steckte täglich im häuslichen Briefkasten. 8 Seiten für 15 Pfennig pro Ausgabe, das tat dem elterlichen Budget nicht sonderlich weh. Und die Patenbrigade (sowas gab es damals – bitte googeln!) meiner Klasse war eine Abteilung aus der SZ-Druckerei.

Aus meiner anfänglichen Skepsis wurden ziemlich schnell Interesse und sogar Lust auf diesen Job. Interesse, geweckt von gestandenen Kollegen, die mit sichtbarer Freude versuchten, uns theoretisch und praktisch zu vermitteln, dass es zwischen einem Schulaufsatz und einem Zeitungsbeitrag doch ein paar kleine Unterschiede gibt. Und Lust, nachdem ich erkannt hatte, dass mir das Ganze vielleicht gar die Türen zu meinem damaligen Traumberuf öffnen könnte: Sportreporter – so ein bisschen in der Welt rumreisen, über Dinge berichten, an denen man selber Spaß hat und von denen man glaubt, auch noch Ahnung zu haben.

Über Umwege

Ein bisschen anders kam es dann aber schon. Und ein paar Umwege gab es auch. Seinerzeit  hat man das mit dem schönen Satz umschrieben: U.P. schafft es nicht immer, gesellschaftliche und persönliche Interessen in Überstimmung zu bringen.

Uwe Peter   Fotos: B. Veltzke
Uwe Peter       Fotos: B. Veltzke

Fürs Gymnasium (das damals EOS hieß) mangelte es an „politischer Reife“. Blieb also der Weg über eine Berufsausbildung mit Abitur in einem Dresdner VEB und die Mitarbeit an der dortigen Betriebszeitung. Zur Aufnahme eines Volontariats 1974 im damaligen Verlag „Zeit im Bild“ reichte es dann aber doch. Das endete 1976 mit einer Beurteilung, die dringend empfahl, mich lieber noch ein weiteres Jahr „zur Bewährung in die sozialistische Produktion“ zu schicken. Dass ich trotzdem in Leipzig Journalismus studieren konnte, lag einfach an ein paar Leuten, die solche Sätze nicht ganz so ernst nahmen und in mir nicht den personifizierten Klassenfeind sahen. Mit ein paar Kommilitonen einigten wir uns zum Studierende auf die weise Erkenntnis: „Es waren vier tolle Jahre – nur das Studium hat ein bisschen gestört.“ Heute weiß ich: Was journalistisches Handwerk und Handwerkzeug betrifft, haben wir dort verdammt viel gelernt.

Und das mit dem Sport lief auch nicht ganz wie erwartet. Meine steile Karriere begann 1980 bei der Tageszeitung „Tribüne“ in Berlin – in der Außenpolitik. Die hatte ich schon während des Studiums als neue berufliche Liebe entdeckt. Und dabei blieb es dann – bis heute. Da ich anfangs nebenbei auch noch im Sportressort arbeiten konnte, fiel mir sehr schnell auf, dass zum einen die von außen auferlegten Beschränkungen im DDR-Sportjournalismus weitaus größer waren als im Auslandsressort und dass zum anderen die journalistische Genrevielfalt in der Außenpolitik mehr Möglichkeiten bot.

Auswege

Erst recht, als mich die „Tribüne“ 1986 als Korrespondent nach Moskau schickte. Dort feierte der untergehende Sozialismus unter Michail Gorbatschow mit seiner Perestroika und Glasnost noch ein letztes Mal fröhlich Urständ, bevor er sich 1990/91 vorerst endgültig von der Weltbühne verabschiedete. Es gab wohl kaum vorher und auch nicht danach einen Ort, an dem das Korrespondentendasein spannender gewesen wäre. Die ersten Jahre bis zum Ende der DDR verliefen noch eher beschaulich, weil sich bei den Mächtigen in Berlin (Ost) die Begeisterung über Gorbatschows Umgestaltung des Landes und des Systems in sehr engen Grenzen hielt. Für die SZ fabrizierte ich übrigens damals ein paar Artikel in einer Art streng konspirativer Tätigkeit unter einem russischen Pseudonym – Bezirkszeitungen durften sich seinerzeit keine eigenen Korrespondenten halten.  Doch ab Ende 1990 schrieb ich mir in Moskau dann buchstäblich die Finger wund. Und das ein paar Jahre länger als geplant. Denn als meine vereinbarte Korrespondentenzeit 1991 offiziell endete, waren sowohl mein Heimatland als auch meine Redaktion schon auf dem großen Müllberg der Geschichte gelandet – und ich entlassen.

Blieb die Wahl, sich zuhause ins Heer der arbeitslosen DDR-Journalisten einzureihen oder eben unter ganz anderen Bedingungen in Moskau weiterzumachen. Nicht ganz einfach für einen jahrelang in jeder Hinsicht gut gepamperten DDR-Journalisten, sich auf freie Marktwirtschaft und freie Tätigkeit umzustellen. Zumal sich die verbliebenen Ostzeitungen damals kaum noch für Außenpolitik interessierten und die Westzeitungen mit ehemaligen DDR-Korrespondenten um Gottes und anderer Willen nichts zu tun haben wollten. Das änderte sich schlagartig im August 1991 – damals putschten einige Hardliner in Moskau Staatschef Gorbatschow weg und läuteten damit unfreiwillig das Ende der UdSSR ein. Und wie gesagt – es war August. Von den in Moskau akkreditierten deutschen Journalisten war nicht mal eine Handvoll am Ort – die anderen waren ganz einfach im Urlaub. Das bescherte mir buchstäblich über Nacht diverse neue Abnehmer in Ost und West – und mein Verbleib war damit auch finanziell gesichert. Er dauerte dann noch bis 1996 an.

Journalistisch und menschlich eine Zeit unglaublicher Möglichkeiten und Erfahrungen – im Guten wie im Bösen: Der Baikalsee im Winter und der Kaukasus im Krieg. Tief unter Tage im Kohleschacht und hoch in der Luft mit allem, was die Aeroflot noch zum Fliegen brachte. Mineralwasser, das nach sofortigem Vergiftungstod schmeckte und Wodka, bei dem einem die Engelein förmlich auf die Zunge pinkelten. Und vor allem Menschen, die Freunde fürs Leben wurden – aber auch Bürokraten, die sich meinen Hass hart und ehrlich verdienten. Ein Land der begrenzten Unmöglichkeiten und der unmöglichen Begrenztheiten zugleich.

Kreuzwege

Und um die Geschichte ganz persönlich abzurunden: Ich war der, der am 9.November 1989 um 14.30 von Berlin nach Moskau flog, um mir zu dortiger Nachtzeit von meinen Berliner Kollegen am Telefon erzählen zu lassen, die Mauer sei jetzt offen. Ich hab´s erst geglaubt, als ich am nächsten Morgen im russischen Fernsehen die Bilder sah. Zumal ich damals in Berlin direkt an der Mauer wohnte – mit Küchenblick nach Kreuzberg.

Seit Ende 1996 bin ich nun wieder da, wo ich als „Jugendredakteur“ und Volo  mal angefangen habe: im Dresdner Haus der Presse. Dort beackere ich bei der SZ die schmal gewordenen Felder der Außenpolitik. Immerhin: Sie werden in dieser Redaktion noch bestellt – zumeist von Kollegen, die als freie Korrespondenten irgendwo in dieser Welt sitzen und sich mehr oder weniger mühsam über Wasser und bei Laune halten. Journalist sein ist nicht mehr, nicht überall und schon gar nicht immer ein Traumjob. Das war er auch nie wirklich – zum Beispiel, weil die Arbeitszeiten nicht eben familienfreundlich sind. Und in Zeiten immer schnellerer Medien und des langsamen Dahinsiechens der guten alten gedruckten Zeitung ist er das schon gar nicht mehr. Aber: Wer sich diesen Beruf wirklich antun will, wer glaubt, genau das und nichts anderes zu wollen, der sollte es sich antun. Denn man kann auch heute noch verdammt viel Spaß daran haben – am Nachdenken, am Fabulieren und am Formulieren, online und offline. Vor allem aber dank seiner Kollegen und mit seinen Kollegen. Ich hab den Spaß immer noch.

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