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Ich bin frei – selbst und ständig

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Jana Mundus, die Freischreiberin                        Foto: B. Veltzke

Neue Auftraggeber finden, alte halten, hamstern für schlechte Zeiten und am besten niemals, niemals krank werden – das ist der Alltag für viele freie Journalisten. Wer will sich das antun? Von wollen kann meist keine Rede sein. Feste Redakteursstellen sind rar. Jana Mundus hingegen ist gern frei.    

Der Uni-Professor malte uns eine Zukunft in den schillerndsten Tönen. Im Januar 2000 war ich beim Tag der offenen Tür am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig zu Gast. „Studieren sie Diplom-Journalistik“, sagte der weißhaarige Mann damals. „Wer hier seinen Abschluss macht, dem ist eine Festanstellung in einem der führenden Medienunternehmen sicher.“ An der Universität Dortmund erzählte uns die Studienberaterin wenig später ähnliches. Die mussten es ja wissen, dachte ich, und bewarb mich nach meinem Abitur an beiden Unis. Ich hatte Glück und bekam zwei Zusagen, entschied mich für Leipzig und begann im Herbst 2000 mein Studium. Doch das weißhaarige Professoren-Orakel hatte Unrecht. Ein gutes Jahr später steckte die Medienwelt in der Krise.

Ich ließ mich nicht beirren und studierte munter weiter. Schließlich wollte ich schon immer Journalistin werden, einen tolleren Beruf gab es für mich nicht. Mit 16 hatte ich nach einem Praktikum bei einer Tageszeitung als freie Mitarbeiterin angefangen, schrieb vor allem über Jugendthemen. Während meine Mitschüler in den Sommerferien am Fließband eines örtlichen Kunststoffherstellers standen, konnte ich bei der Tageszeitung mein Taschengeld aufbessern und nebenbei viel über meinen Traumberuf erfahren. Später im Studium probierte ich mich in den Semesterferien auch im Fernseh- und Hörfunkjournalismus aus. Spaß machte alles, aber was ich wollte war Schreiben.

Doch je näher der Studienabschluss rückte, desto bewusster wurde mir, dass das mit der Festanstellung wohl schwierig werden dürfte. Überall wurde gespart. Während meines studienintegrierten Volontariats bei der Leipziger Volkszeitung bekam ich mit, wie Redakteursstellen Stück für Stück eingespart wurden,  um die gleiche Arbeit von Freiberuflern erledigen zu lassen. Schön war das nicht, aber wohl eine Entwicklung, die nur schwer aufzuhalten war. Also setzte auch ich mich langsam damit auseinander, wie das Überleben als Selbstständige später funktionieren kann.

Während ich auf die Korrektur meiner Diplomarbeit wartete, jobbte ich weiter bei einer Tageszeitung. Nebenbei besuchte ich aber auch ein Seminar für Existenzgründer. Ein Tipp, den ich heute jedem Kollegen geben würde, der sich selbstständig machen möchte oder muss. Wer einmal gelernt hat, was ein Businessplan ist oder wie man seine Honorare kalkuliert, wird es als Freiberufler einfacher haben. Es ist wichtig, den eigenen Wert der Arbeit zu kennen und zu wissen, welche Einnahmen ich pro Monat haben muss, um bestehen zu können. Es reicht nicht, jeden Monat gerade so durchzukommen. Ich muss die Chance haben, einen Teil für schlechte Zeiten zurückzulegen. Denn, wer als Freiberufler krank wird und nicht arbeiten kann, verdient auch nichts.

Mehrere Standbeine sind wichtig

Im Frühjahr 2008 bekam das Finanzamt ein ausgefülltes Formular von mir auf den Tisch: meine Anmeldung als Selbstständige. Jetzt wurde es ernst. Auftraggeber suchen, recherchieren, schreiben, Rechnungen tippen, Buchhaltung, monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen, Jahresabschluss, Steuererklärung… Ich wurde meine eigene Geschäftsführerin. Am Anfang hatte ich noch Angst, in diesem ganzen Wirrwarr nicht mehr kreativ sein zu können. Doch mit der Zeit lief es besser. Ich bekam Routine im Drumherum und hatte den Kopf frei für das, was ich eigentlich immer wollte: Schreiben.

Bei der Sächsischen Zeitung heuerte ich im Mai 2008 an. Ich war erst für die Radeberger Lokalredaktion unterwegs, seit Oktober 2012 für die Dresdner Stadtredaktion. Heute kann ich jeden Tag für die SZ arbeiten. Eine Sicherheit in Sachen Einnahmen, die ich nicht missen möchte. Es gibt genügend andere freie Journalisten, die diesen Luxus nicht haben, die jeden Tag kämpfen müssen, um Texte verkaufen zu können. Doch auch ich kann mich auf dem SZ-Engagement nicht ausruhen. Als Freiberufler ist es wichtig, mehrere Standbeine zu haben, um nicht in ein finanzielles Loch zu rutschen, wenn ein Auftraggeber wegbricht. So beliefere ich Firmen mit Texten für ihren Onlineauftritt oder Kundenmagazine und arbeite auf Honorarbasis mit Jugendlichen in einer Schülerredaktion zusammen. Zum Glück hat sich die Einstellung von festangestellten Kollegen und Redaktionsleitern bei den Tageszeitungen in den vergangenen Jahren gewandelt. Viele wissen um das Spannungsfeld, in dem sich freie Journalisten bewegen: Für die Zeitung jeden Tag gute Geschichten zu schreiben und gleichzeitig andere Auftraggeber zu bedienen. Das heißt eben auch, dass Freie nicht die Möglichkeiten haben zehn Stunden am Tag nur für den Verlag da zu sein. Das wird immer mehr akzeptiert. Nur so kann das Konstrukt des Freiseins bei Tageszeitungen in Zukunft funktionieren.

Natürlich bedeutet das, dass nie wirklich Feierabend ist. Am Wochenende sitze ich oft am Schreibtisch, erledige Dinge, die wegen des tagesaktuellen Geschäfts bei der Sächsischen Zeitung liegen geblieben sind. Es gibt viele Abende, an denen ich mit dem Laptop auf dem Schoß vor dem Fernseher sitze, um Mails zu schreiben oder das Buchhaltungsprogramm mit Daten zu füttern. „Selbstständig heißt selbst und ständig“ war vor Jahren nur ein Spruch für mich. Heute weiß ich, dass er stimmt.

Also warum mache ich das alles, wenn der Berg an Arbeit so groß ist? Weil es Spaß macht! Ich liebe die Abwechslung. Heute bin ich für die SZ bei einer Sitzung im Dresdner Rathaus zur geplanten Katzenkastration, morgen bringe ich den Schülern der Schülerzeitung Interviewtechniken bei und übermorgen schreibe ich einen Artikel über die Frühjahrskollektion eines Dresdner Kindermodelabels. Sicherlich habe ich mir vor Jahren meinen späteren Berufsalltag anderes vorgestellt, klassisch eben – als angestellte Redakteurin einer Tageszeitung. Dass es nun anders gekommen ist, darüber bin ich nicht böse.

Für den Deutschen Journalistenverband (DJV) engagiere ich mich seit einiger Zeit für junge Journalisten, bin außerdem Mitglied im Bundesfachausschuss zu diesem Thema. Wenn mich jüngere Kollegen fragen, ob ich das Freisein empfehlen kann, antworte ich differenziert. Wer die Chance auf eine Festanstellung hat, sollte sie meiner Meinung nach auf jeden Fall nutzen. Die Sicherheit, die solch eine Anstellung bietet, ist einfach unschlagbar. Natürlich sollte sie auch gut bezahlt sein. Auf der anderen Seite muss aber jeder, der den Job machen will, auch darauf vorbereitet sein, über eine kürzere oder längere Zeit als Freiberufler überleben zu können. Ein guter Plan ist in so einem Fall absolut wichtig. Mal eben ein bisschen frei zu arbeiten, ist keine Option. Jeder Freiberufler sollte genaue Vorstellungen davon haben, was er will. Zum Glück gibt es viele Seminar- und Weiterbildungsangebote für solche Situationen.

Momentan macht mir vor allem eines Sorgen: Dass der Nachwuchs irgendwann wegbricht. Der Journalismus als Beruf hat einen schlechten Ruf, vor allem, wenn es um die Bezahlung geht. Ich habe in den vergangenen Jahren so viele talentierte Jugendliche kennengelernt, die sogar Preise bei Journalistenwettbewerben abgeräumt haben. Wenn ich sie aber ermunterte, das Ganze doch beruflich zu machen, sagten sie: „Da gibt es doch keine Stellen, da verdiene ich doch nichts.“ Ich hoffe, dass sich dieses Bild bald wieder ändert, damit auch jüngere Generationen erfahren können, was wir für einen schönen Beruf haben. Die Entwicklungen, die dazu nötig sind, sehe ich momentan aber nicht – leider.

Text: Jana Mundus

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