Erfahrungsbericht

Kommt Qualität wirklich von Qual?

So ist es zumindest auf einem Schild in der bekannten Henri-Nannen-Schule zu lesen? Angelina hat im Herbst zwei Monate die Journalistenschule besucht und findet, dass das so definitiv nicht stimmt.

Fast alle, die sich für Journalismus interessieren, kennen sie. Um die Henri-Nannen-Schule in Hamburg ranken sich Mythen und Gerüchte. Diese drehen sich vor allem darum, wie hart die Kurse, wie streng die Lehrenden und wie elitär die Absolvent*innen sein sollen. 

Wie alle Volontär*innen, wurde auch ich von der SZ nach Hamburg in genau diese Einrichtung geschickt. Ich hatte also die „Ehre“, eine der bekanntesten deutschen Journalistenschulen von innen zu sehen. Und was soll ich sagen, ich hatte eine gute Zeit. All die Sorgen, die ich zuvor gehegt hatte, sollten sich als unbegründet herausstellen.

Die Lehrenden waren zwar manchmal streng und die Tage lang, aber ich habe genau deshalb eine Menge gelernt. Allerdings nicht nur, wie man schnell gute Nachrichten schreibt, Menschen authentisch porträtiert oder klug argumentierte Kommentare schreibt, sondern noch vieles mehr. Zum Beispiel, dass es sich manchmal lohnt, für seine Meinung einzustehen. Auch vor viel erfahreneren Journalist*innen. Weil es oft eben doch wichtig ist, aus seiner eigenen Perspektive auf Themen zu blicken. Es gibt zudem oft kein richtig oder falsch. 

Außerdem sind die Kurse an der Henri-Nannen-Schule mittlerweile super multimedial ausgerichtet. Meine Dozent*innen haben mir also nicht nur das Schreiben beigebracht, sondern auch, wie mir das Internet fast alles verrät oder wie ich am Smartphone kurze Beiträge filmen und schneiden kann. Besonders hat mich dabei gefreut, dass neben vielen alten weißen und weisen Männern auch immer mehr junge Journalistinnen an der Schule unterrichten. Vorbilder sind einfach wichtig, selbst, wenn man schon längst erwachsen ist. 

Meine Übungsreportage habe ich übrigens nach allen Regeln der Kunst vermasselt. Mein Protagonist war ein homosexueller Geflüchteter, der sich in Ostdeutschland nicht so wirklich wohl fühlte. Meine Dozentin meinte bei der Besprechung zu mir, dass ich mein Thema so unglücklich gewählt hätte, dass es unmöglich sei, einen guten Text zu liefern. Vielleicht hätte ich eine meiner Reportage-Ideen also besser nicht an meinen Mitbewohner abgeben sollen. Er hatte sich für seinen Text zum ersten Mal die Brust waxen lassen und einen Erfahrungsbericht geschrieben, der wirklich unterhaltsam war. Andererseits wären mir so viel Schadenfreude und eine wichtige Lektion verwehrt geblieben: Eine Reportage braucht Bewegung. Die Handlung muss fließen, wie ein Fluss. Die Einsamkeit meines Protagonisten war eher ein trauriger See. Außerdem habe ich leider nicht wirklich viele Brusthaare. 

Im Übrigen hat nicht nur mein Mitbewohner von meinen offenbar sadistischen Ideen profitiert, sondern auch ich von all den anderen Schüler*innen. Denn wir alle hatten unterschiedliche Interessen und Lebensläufe und konnten eine Menge voneinander lernen. Im Februar werde ich das nächste Mal in Hamburg sein. Und auch wenn ich Dresden und die Arbeit bei der SZ liebe, freue ich mich schon jetzt darauf.

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