Erfahrungsbericht

Von Nagetier-Männern und planschenden Kühen: Sommerloch-Themen, die (nicht) die Welt bewegen

Wenn sich die Ferienruhe über das Land legt, Politikbetrieb und Sport-Ligen sich eine Auszeit gönnen, kriechen sie aus den Untiefen der „Potenzielle-Beiträge-wenn-man-nichts-anderes-hat-Kiste“ hervor: die Sommerloch-Themen.

Sie sind verliebt, auf der Flucht oder täuschen ein ganzes Land: Tiere. Ihr Schicksal bewegt nicht selten wochenlang die ganze Nation und das dann, wenn es sowieso nichts anderes zu berichten gibt.

So sorgte im vergangenen Jahr ein Handyvideo auf Twitter für eine großangelegte Suchaktion mit hunderten Polizisten nahe Berlin. Warum dieser Aufstand? Das Video zeigte angeblich eine Löwin. Die Suche nach der mutmaßlichen Raubkatze im brandenburgischen Kleinmachnow dauerte mehr als 30 Stunden. Gefunden wurde die Löwin nie. Komisch, da es sich bei dem Tier nach Einschätzungen von Experten doch eigentlich um ein Wildschwein handelte.

Von Kühen und Schwänen

Auch Kuh Yvonne stand 2011 im Scheinwerferlicht der Medien und erhöht die Zeit einer ihr zu Ehren angelegten Suchaktion auf ganze drei Monate. Nachdem sie sich nicht zum Schlachter hatte führen lassen, türmte sie und flüchtete in Oberbayern in den Wald. Drei Monate später erwischt man Yvonne dann mit einem Betäubungspfeil und brachte sie zum Gnadenhof.

Ein ähnlich großes Aufsehen erregte Trauerschwan Petra. Mit einer ebenso niedlichen wie skurrilen Lovestory auf dem Aasee in Münster rückte der schwarze Vogel 2006 in die Aufmerksamkeit vieler Medien. Wochenlang wich Petra einem Tretboot in Schwanengestalt nicht von der Seite. Versuche, sie mit einem echten Schwan zu verkuppeln, scheiterten.

In diesem Jahr eroberte wieder eine Kuh die Schlagzeilen. Im Juni hat ein Familienvater im Blankenhainer Ortsteil Lengenfeld im Weimarer Land eine eher ungewöhnliche Entdeckung in seinem Garten gemacht: in seinem Pool badeten zwei Kühe. Es brauchte mehr als 25 Einsatzkräfte, zwei Tierärztinnen und über vier Stunden, um die beiden Rinder aus dem zwei Meter tiefen Pool zu hieven. Ende gut, alles gut.

Weniger niedlich und tollpatschig, dafür genauso tierisch geht es mit dem zweiten Sommerloch-Thema weiter: den „Hot Rodent Men“. Nagetier-Männer sollen das Sexsymbol des Sommers sein und einen Gegenentwurf zur toxischen Männlichkeit darstellen. Optisch würden die Männer an kleine Nager erinnern und das finden viele Girls der Gen Z sexy.

Maus oder Mann – das ist die Frage

Angefangen hat alles im Internet. Als im April der Film „Challengers“ in den Kinos anlief, kursierten schnell die ersten Memes. Die Menschen fanden nämlich: Die Schauspieler Mike Faist und Josh O’Connor haben etwas mausartiges an sich. Schnell fanden sich weitere Stars, die Ähnlichkeiten mit Ratten, Mäusen und Eichhörnchen haben sollen: Adam Driver, Jeremy Allen White, Timothée Chalamet oder auch Harry Styles.

Am Ende ist der „Hot Rodent Men“ wohl der Versuch, ein neues Bild von Männlichkeit zu konstruieren. Warum dafür ein Vergleich mit Nagetieren hermuss, wissen wir auch nicht. Fest steht, dass damit weiterhin Menschen sexualisiert und auf ihr Äußeres reduziert werden. Und auch, wenn der Ratten-Trend ein neues Idealbild von einem Mann schaffen soll, handelt es sich bei den Vorbildern trotzdem noch um die ausgebesserte Optik von Hollywoodstars. Du willst trotzdem wissen ob du Mann oder Maus bist? Die Taz hat einen ganz wundervollen Selbsttest.

Sommerloch für Sommerthemen

Eine ganze Füllgrube an Sommerlochthemen bieten die Ratgeberseiten in Print und Netz. Das Thema bei den meisten: Sommer. Da finden sich Beiträge, wie man richtig Eis portioniert oder den Koffer richtig packt, aber auch wie das Büro oder Schlafzimmer am besten gekühlt wird. Besonders auffällig? Umso heißer die Temperaturen, desto wilder sind die Themen. Da geht es dann nicht mehr unbedingt um praktische Tipps und allgemeine Ratgeber, sondern auch schnell auch darum, ob man sich wirklich rasieren sollte oder welche Eissorte denn nun in Amerika die beliebteste ist. Das alles nur, damit die Seiten gefüllt werden.

Mittlerweile gibt es zum Sommerloch in den Redaktionen ganze PR-Teams, die daraus das Beste machen wollen. Bei einem kurzen Blick auf „die dunkle Seite der Macht“ (PR-Firmen und alle Arten der Öffentlichkeitsarbeit) fällt schnell auf, dass sie richtige Pläne entwickeln, wie man während des Sommerlochs am besten an die Medienhäuser herantritt. Bei einem Marketingblog habe ich eine ganze Anleitung dazu gefunden, was Journalisten denn gern im Sommerloch wollen. Dort heißt es dann: „Statt wie alle anderen die Füße hochzulegen, kannst du diese ruhige Zeit also nutzen, um mit einem passenden Gesprächsangebot im spärlich gefüllten Posteingang der Journalisten zu landen.“ Oder: „Egal, ob richtig gedrehtes (Service-)Thema oder passender Anlass – mit solchen kurzfristigen Vorschlägen landest du vor allem bei Tageszeitungen und Online-Magazinen einen Volltreffer.“ – sowas könnte man anzweifeln, aber wahrscheinlich haben die PR-Kollegen hier recht. Wo wir wieder bei den Ratgebern wären.

Stoppelige Angelegenheiten

Noch interessanter scheinen aber für das Sommerloch die Promis zu sein. Besonders interessant war diesen Sommer der Bart von Prinz William aus dem britischen Königshaus. Das erste Mal aufgefallen ist er nach einem Video, dass er und seine Frau Kate auf X teilten, um den Olympioniken zu gratulieren. Für den Inhalt hat sich aber nicht wirklich jemand interessiert, stattdessen für den wilden Bart vom Prinzen. Seitdem ist die stoppelige Behaarung gar nicht mehr aus der Klatschpresse wegzudenken.

Nicht weniger interessant war im Sommerloch Pop-Ikone Taylor Swift. Davon abgesehen, dass sie natürlich mit ihrer Eras-Tour einfach einen unglaublichen Aufzug gemacht hat, war es die perfekte Zeit, um Löscher im Sommerloch zu stopfen. Auf Schritt und Tritt wurde sie verfolgt, Fans befragt und jede noch so kleine Sache zu ihrer Tour wurde zu einem großen Thema. Die Marketingfirma hat vielleicht recht – man muss nur wissen, wie man sich verkauft und das Sommerloch richtig nutzt.

Ein Text von Olivia Daume und Elisa Schulz