Erfahrungsbericht

Von Nagetier-Männern und planschenden Kühen: Sommerloch-Themen, die (nicht) die Welt bewegen

Wenn sich die Ferienruhe über das Land legt, Politikbetrieb und Sport-Ligen sich eine Auszeit gönnen, kriechen sie aus den Untiefen der „Potenzielle-Beiträge-wenn-man-nichts-anderes-hat-Kiste“ hervor: die Sommerloch-Themen.

Sie sind verliebt, auf der Flucht oder täuschen ein ganzes Land: Tiere. Ihr Schicksal bewegt nicht selten wochenlang die ganze Nation und das dann, wenn es sowieso nichts anderes zu berichten gibt.

So sorgte im vergangenen Jahr ein Handyvideo auf Twitter für eine großangelegte Suchaktion mit hunderten Polizisten nahe Berlin. Warum dieser Aufstand? Das Video zeigte angeblich eine Löwin. Die Suche nach der mutmaßlichen Raubkatze im brandenburgischen Kleinmachnow dauerte mehr als 30 Stunden. Gefunden wurde die Löwin nie. Komisch, da es sich bei dem Tier nach Einschätzungen von Experten doch eigentlich um ein Wildschwein handelte.

Von Kühen und Schwänen

Auch Kuh Yvonne stand 2011 im Scheinwerferlicht der Medien und erhöht die Zeit einer ihr zu Ehren angelegten Suchaktion auf ganze drei Monate. Nachdem sie sich nicht zum Schlachter hatte führen lassen, türmte sie und flüchtete in Oberbayern in den Wald. Drei Monate später erwischt man Yvonne dann mit einem Betäubungspfeil und brachte sie zum Gnadenhof.

Ein ähnlich großes Aufsehen erregte Trauerschwan Petra. Mit einer ebenso niedlichen wie skurrilen Lovestory auf dem Aasee in Münster rückte der schwarze Vogel 2006 in die Aufmerksamkeit vieler Medien. Wochenlang wich Petra einem Tretboot in Schwanengestalt nicht von der Seite. Versuche, sie mit einem echten Schwan zu verkuppeln, scheiterten.

In diesem Jahr eroberte wieder eine Kuh die Schlagzeilen. Im Juni hat ein Familienvater im Blankenhainer Ortsteil Lengenfeld im Weimarer Land eine eher ungewöhnliche Entdeckung in seinem Garten gemacht: in seinem Pool badeten zwei Kühe. Es brauchte mehr als 25 Einsatzkräfte, zwei Tierärztinnen und über vier Stunden, um die beiden Rinder aus dem zwei Meter tiefen Pool zu hieven. Ende gut, alles gut.

Weniger niedlich und tollpatschig, dafür genauso tierisch geht es mit dem zweiten Sommerloch-Thema weiter: den „Hot Rodent Men“. Nagetier-Männer sollen das Sexsymbol des Sommers sein und einen Gegenentwurf zur toxischen Männlichkeit darstellen. Optisch würden die Männer an kleine Nager erinnern und das finden viele Girls der Gen Z sexy.

Maus oder Mann – das ist die Frage

Angefangen hat alles im Internet. Als im April der Film „Challengers“ in den Kinos anlief, kursierten schnell die ersten Memes. Die Menschen fanden nämlich: Die Schauspieler Mike Faist und Josh O’Connor haben etwas mausartiges an sich. Schnell fanden sich weitere Stars, die Ähnlichkeiten mit Ratten, Mäusen und Eichhörnchen haben sollen: Adam Driver, Jeremy Allen White, Timothée Chalamet oder auch Harry Styles.

Am Ende ist der „Hot Rodent Men“ wohl der Versuch, ein neues Bild von Männlichkeit zu konstruieren. Warum dafür ein Vergleich mit Nagetieren hermuss, wissen wir auch nicht. Fest steht, dass damit weiterhin Menschen sexualisiert und auf ihr Äußeres reduziert werden. Und auch, wenn der Ratten-Trend ein neues Idealbild von einem Mann schaffen soll, handelt es sich bei den Vorbildern trotzdem noch um die ausgebesserte Optik von Hollywoodstars. Du willst trotzdem wissen ob du Mann oder Maus bist? Die Taz hat einen ganz wundervollen Selbsttest.

Sommerloch für Sommerthemen

Eine ganze Füllgrube an Sommerlochthemen bieten die Ratgeberseiten in Print und Netz. Das Thema bei den meisten: Sommer. Da finden sich Beiträge, wie man richtig Eis portioniert oder den Koffer richtig packt, aber auch wie das Büro oder Schlafzimmer am besten gekühlt wird. Besonders auffällig? Umso heißer die Temperaturen, desto wilder sind die Themen. Da geht es dann nicht mehr unbedingt um praktische Tipps und allgemeine Ratgeber, sondern auch schnell auch darum, ob man sich wirklich rasieren sollte oder welche Eissorte denn nun in Amerika die beliebteste ist. Das alles nur, damit die Seiten gefüllt werden.

Mittlerweile gibt es zum Sommerloch in den Redaktionen ganze PR-Teams, die daraus das Beste machen wollen. Bei einem kurzen Blick auf „die dunkle Seite der Macht“ (PR-Firmen und alle Arten der Öffentlichkeitsarbeit) fällt schnell auf, dass sie richtige Pläne entwickeln, wie man während des Sommerlochs am besten an die Medienhäuser herantritt. Bei einem Marketingblog habe ich eine ganze Anleitung dazu gefunden, was Journalisten denn gern im Sommerloch wollen. Dort heißt es dann: „Statt wie alle anderen die Füße hochzulegen, kannst du diese ruhige Zeit also nutzen, um mit einem passenden Gesprächsangebot im spärlich gefüllten Posteingang der Journalisten zu landen.“ Oder: „Egal, ob richtig gedrehtes (Service-)Thema oder passender Anlass – mit solchen kurzfristigen Vorschlägen landest du vor allem bei Tageszeitungen und Online-Magazinen einen Volltreffer.“ – sowas könnte man anzweifeln, aber wahrscheinlich haben die PR-Kollegen hier recht. Wo wir wieder bei den Ratgebern wären.

Stoppelige Angelegenheiten

Noch interessanter scheinen aber für das Sommerloch die Promis zu sein. Besonders interessant war diesen Sommer der Bart von Prinz William aus dem britischen Königshaus. Das erste Mal aufgefallen ist er nach einem Video, dass er und seine Frau Kate auf X teilten, um den Olympioniken zu gratulieren. Für den Inhalt hat sich aber nicht wirklich jemand interessiert, stattdessen für den wilden Bart vom Prinzen. Seitdem ist die stoppelige Behaarung gar nicht mehr aus der Klatschpresse wegzudenken.

Nicht weniger interessant war im Sommerloch Pop-Ikone Taylor Swift. Davon abgesehen, dass sie natürlich mit ihrer Eras-Tour einfach einen unglaublichen Aufzug gemacht hat, war es die perfekte Zeit, um Löscher im Sommerloch zu stopfen. Auf Schritt und Tritt wurde sie verfolgt, Fans befragt und jede noch so kleine Sache zu ihrer Tour wurde zu einem großen Thema. Die Marketingfirma hat vielleicht recht – man muss nur wissen, wie man sich verkauft und das Sommerloch richtig nutzt.

Ein Text von Olivia Daume und Elisa Schulz

Podcast, Wie geht Journalismus

Was ist eigentlich ein Volontariat? Unser Podcast gibt Antworten

Junge Journalisten absolvieren in der Regel ein Volontariat. Klingt nach einem Freiwilligendienst, ist aber keiner. Die Ausbildungsleiterin der Madsack-Mediengruppe klärt auf im Podcast „Journalismus machen“.

Anika Schock ist bei der Madsack-Mediengruppe für die Ausbildung von Nachwuchs-Journalisten verantwortlich.

Das Volontariat ist immer noch der klassische Einstieg in den Journalismus. Außerhalb der Medienbranche ist die redaktionelle Ausbildung aber den wenigsten ein Begriff. Deshalb haben wir die Ausbildungsleiterin der Madsack Mediengruppe in unseren Podcast „Journalismus machen“ eingeladen.

Anika Schock klärt auf, warum ein Volontariat keinesfalls so unbezahlt ist, wie der Name vermuten lässt, und wie die Ausbildung konkret abläuft. Nur so viel vorab: Langweilig wird es nicht!

Außerdem verrät sie, was Interessierte heute mitbringen sollten. Auch diejenigen, die bisher keine Medienerfahrungen haben, sollten dranbleiben. Denn die Anforderungen an den Beruf haben sich geändert, die Chancen auf einen Platz und eine spätere Übernahme stehen nicht schlecht.

„Ich kann ganz klar sagen, dass es nicht mehr so ist, dass man diesen klassischen ‚Ich wollte schon immer Journalist:in werden‘- Werdegang vorweisen muss“, sagt Schock.

Wer sogar die Qual der Wahl hat, bekommt Tipps von Anika Schock, auf was man bei der Auswahl eines Volontariats achten sollte. Die Volontärsbeauftragte weiß, wovon sie spricht, da sie erst vor drei Jahren selbst ein Volontariat bei den Lübecker Nachrichten begonnen hat.

Mittlerweile kümmert sie sich von Hannover aus um etwa 60 Volontäre und Volontärinnen, die bei den Medien der Madsack-Gruppe den Einstieg in den Journalismus gewagt haben.

-> Alle Folgen gibt es hier.

Erfahrungsbericht

Ich lese was, was du nicht liest

Sie gehören zum Journalisten-Alltag immer noch dazu, aber wenige reden darüber: Leserbriefe. Aber was genau wird so angespült, wo kommen sie her und was macht das eigentlich mit einem?

Bevor ich meine Arbeit in einer Redaktion angefangen habe, wusste ich nicht, dass sie auch dazu gehören. Sie flattern manchmal täglich, manchmal nur einmal im Monat rein – ganz davon abhängig, worüber man gerade seine Texte schreibt. Manchmal sind sie lang, manchmal sehr kurz, manchmal fordern sie zum Dialog, manchmal sind sie aber auch beleidigend. Als Brief kommen sie schon lange nicht mehr, sondern viel mehr als Mail: Leserbriefe.

Ich kann gar nicht sagen, wie viele Lesermails eintrudeln, das ist ganz unterschiedlich. Allerdings fällt es auf, dass die Inhalte doch eher negativen statt positiven Inhalts sind. So bekam ich schon Mails, in denen ich als „unfähige Journalistin“ bezeichnet wurde. Wobei das wohl eher noch die geringste Form der Beleidigung darstellt. „Unfähig“ scheinen wir nach den Leserbriefen aber alle zu sein und genauso wenig die deutsche Rechtschreibung (wie viele Fehler sind wohl in diesem Text?) zu beherrschen. Denn regelmäßig bekomme ich auch Briefe, in denen mir angekreidet wird, es wäre eine Unverschämtheit, Personen in Artikeln nur mit dem Nachnamen zu bezeichnen. Also zum Beispiel „sagte Schulz“ und nicht „sagte Frau Schulz“. Bei solchen Mails frage ich mich allerdings, ob die Schreiber überhaupt Zeitung lesen, denn es ist ja nun normal, das so zu machen – oder ist es das plötzlich nicht mehr? Das Memo habe ich nicht bekommen.

Und „reinen Populismus“ scheinen wir auch zu betreiben. Egal ob nach Links oder nach Rechts. Vor allem sind wir aber „Linke Propagandistinnen“ und würden „Links/Grüne Propaganda“ betreiben. Manche holen auch richtig aus und schmeißen uns Sätze entgegen, die versteckt hinter dem Mailfach entstehen und sie uns sicherlich seltenst ins Gesicht sagen würden. So kam auch erst vor kurzem der Satz:

„Können Sie noch in den Spiegel schauen? Kommen Zweifel darüber, ob Sie Journalistin sind? Ich gebe Ihnen gern die Antwort: Sie sind keine Journalistin, Sie sind eine linke Propagandistin. Kein Wort über diese nicht repräsentative Datenerfassung des „Sachsen-Kompass“; diese Klarstellung gehört an erste stelle. Mein Wunsch wäre: ein fairer Journalismus weg von dieser SPD-Parteilichkeit, aber wenn Sie diesen obszönen linken Parteijournalismus nicht folgen (würden), hätten Sie keine Chance; schreiben für die untergehende SPD, oder kein Rückrad.“ (Das Zitat wurde in der Rechtschreibung aus dem Original übernommen).

Und ja, sowas trifft. Soll es sicherlich auch. Aber wir können uns nicht wehren. Wir sitzen auch nur an unseren Computern, recherchieren, gehen zu Terminen und treffen Menschen, schreiben Artikel, kontrollieren mehrfach die Fakten und fragen noch mal nach – machen eben unseren Job – dass nicht jedem gefällt, wie wir ihn machen, ist klar. Aber wir sind eben auch nur Menschen. Wir bekommen die Briefe und lesen sie (und ja – nehmen sie uns auch zu Herzen). Wir kennen die Menschen nicht, die uns schreiben. Sie kennen uns sicherlich ein bisschen mehr (glauben es zumindest).

Ich habe am Anfang geschrieben, dass ich nicht wusste, dass es noch immer so viele Leserbriefe gibt. Das stimmt – man wird nicht wirklich darauf vorbereitet. Keiner sagt einem, wie man am besten damit umgeht. Es gibt Kollegen, die mir geraten haben, sie zu beantworten, damit der Schreiber des Briefes weiß „hey – hier ist auch ein Mensch und hier liest jemand ihre Nachrichten“. Andere Kollegen haben mir geraten, sie einfach zu ignorieren. Beides war für mich nie die optimale Lösung. Ich habe mich dazu entschieden, auf die zu antworten, die aufrichtig zu sein scheinen und an einem Austausch interessiert sind. Denn die gibt es natürlich auch und es sind gar nicht so wenige.

Auf die, die mich beleidigen und mich degradieren, antworte ich nur, wenn ich wirklich das innerliche Bedürfnis habe etwas richtigzustellen.

Ich möchte nicht darüber jammern, dass sich Leser mit uns Kontakt aufnehmen wollen, denn wirklich oft gibt es einen schönen Austausch oder eine nette Mail. Trotzdem bleiben die Mails, die unter die Gürtellinie zielen, doch eher mal hängen.

Dann gibt es da noch einen Mini-Prozentsatz, den ich euch auch nicht vorenthalten möchte: Menschen, die uns schreiben wegen wirklich ganz kleinen Sachen und sehr oft sind diese Mails sehr witzig. So bekam ich erst vor kurzen eine Nachricht, in der sich jemand über ein gewähltes Foto empörte:

„Auf dem Bild trägt Roland Kaiser mit Sicherheit keine Porsche-Sonnenbrille, wenn doch Porsche, dann müsste es richtig heißen: Porsche-Design. Ich vermutet, dass es sich um eine Ray-Ben-Sonnenbrille handelt. Aber Roland Kaiser ist nicht so einer, der mit einer Porsche-Design-Brille, die ein Protzzeichen, ein Statussymbol ist, bei einem Konzert auftreten würde“

Danke für dieses Feedback!

Ein leeres Büro, animiert durch Bildgenerator Midjourney
Erfahrungsbericht

Chat GPT, schreib mir meinen Artikel!

Es ist noch gar nicht lange her, da wurde hier ein Blogeintrag darüber veröffentlicht, wie wir das Internet unterschätzt haben. Vier Jahre später gibt es nun ChatGPT, eine künstliche Intelligenz, die schlauer als das Internet sein soll. Und die noch mehr wissen soll, als Journalist:innen. Uns stellt sich damit schnell die Frage: „Sind wir nun überflüssig?“

Die Maschine wurde mit Unmengen an Daten gefüttert, damit sie auf noch so jede komische Frage eine Antwort geben kann. Aufsätze, Rezepte, Pro- & Contra- Listen – ChatGPT kann Ratschläge geben, die mit denen von echten Menschen locker mithalten können. Bildgeneratoren wie Midjourney malen uns außerdem verblüffende Bilder in allen denkbaren Stilrichtungen, die wir auch noch kostenlos nutzen können.

Bei einem Kurs in der Henri-Nannen-Schule sind wir der Frage nachgegangen, ob Chat GPT auch gute Texte schreiben kann. Um euch (und uns) gleich zu beruhigen: Nein wir sind natürlich nicht überflüssig. Zusammen mit der Schreibtrainerin Amelie Gräf haben wir den Chat mal gestartet. „Hi, wie kann ich dir helfen?“, fragt die KI. Wir antworten:

„Hi. Schreibe doch bitte eine Geschichte, in der ein Zelt und Kopfhörer vorkommen! Die Geschichte sollte nicht mehr als 3.000 Zeichen haben.“ Diese Übung macht Amelie Gräf in ihren Seminaren normalerweise nur mit Stift und Block (was übrigens ein ganz einfacher, aber wahnsinnig wertvoller Ansatz ist, um auf neue Ideen zu kommen und fokussiert zu arbeiten).

Nun ist aber die Maschine an der Reihe. Nach weniger als einer halben Minute hat Chat GPT eine Geschichte auf den Bildschirm gezaubert:

Es war ein lauer Sommerabend, als Luca und seine Freunde sich aufmachten, um ihr Zelt im nahegelegenen Wald aufzuschlagen. Mit Rucksack und Zelt auf dem Rücken machten sie sich auf den Weg, begleitet von der Musik, die Luca über seine Kopfhörer hörte.

Als sie den Wald erreichten, fanden sie einen schönen Platz am Ufer eines kleinen Sees. Luca und seine Freunde schlugen ihr Zelt auf und machten es sich darin gemütlich. Die Nacht war klar und der Sternenhimmel funkelte über ihnen.

Während seine Freunde sich um das Lagerfeuer versammelten, entschied Luca sich, alleine am Seeufer entlangzuschlendern. Mit seinen Kopfhörern im Ohr und der Musik im Hintergrund fühlte er sich frei und unbeschwert.

Als er den See erreichte, sah er, wie das Mondlicht auf der Wasseroberfläche funkelte und das Ufer in ein silbriges Licht tauchte. Luca setzte sich ans Ufer und starrte auf das Wasser. Die Musik in seinen Kopfhörern wurde leiser und er hörte das sanfte Rauschen der Blätter im Wind.

In diesem Moment fühlte Luca sich eins mit der Natur und mit sich selbst. Er schloss die Augen und lauschte dem Klang der Nacht. Es war ein Gefühl der Ruhe und des Friedens, das er in dieser Nacht gefunden hatte.

Als er zu seinem Zelt zurückkehrte, fand er seine Freunde schlafend vor. Luca kroch in seinen Schlafsack und zog seine Kopfhörer aus den Ohren. Er lag da und lauschte dem leisen Rauschen des Waldes, während er einschlief.

Die Nacht war kurz, aber er hatte das Gefühl, dass er in dieser Nacht mehr erlebt hatte als in vielen Nächten zuvor. Der Klang der Natur und die Musik in seinen Kopfhörern hatten ihn zu einem besonderen Ort gebracht, an dem er sich frei und unbeschwert fühlte.

Der Text ist grammatikalisch richtig und logisch aufgebaut. Doch ein bisschen liest er sich wie aus einem Kinderbuch. Botschaften zwischen den Zeilen? Spannende Pointen? Fehlen irgendwie. Auch, wenn wir der KI noch einen bestimmten Stil, eine andere Länge oder weitere Charaktere diktieren können, so kommt sie an diesem Vormittag dann doch nicht an die Geschichten heran, die die Kursmitglieder mit ihrem eigenen Hirnschmalz aufs Papier gezaubert haben.

Dazu kommt, dass die Maschine von den Informationen lebt, die der Mensch ihr gibt. Viele dieser Informationen bekommen wir aber nur durch Anrufe, das persönliche Gespräch oder Eindrücke vor Ort. Die KI ist ein Allrounder, aber die Expert:innen, das sind dann doch noch die Menschen, die sich intensiv mit einem Thema beschäftigen.

Wenn Chat GPT allerdings mit genügend Inhalten und einem erfüllbaren Auftrag gefüttert wird, dann kann sie eine Hilfe für uns sein. Pressemitteilungen umschreiben, Überschriften vorschlagen oder Statistiken auswerten – die Möglichkeiten werden größer.

Das sieht auch Chat GPT so. Auf die Frage, ob die Jobs im Journalismus künftig von der KI erledigt werden, gibt sie Entwarnung. „Letztendlich ist der Einsatz von KI-Sprachmodellen wie mir nicht dazu gedacht, menschliche Journalisten zu ersetzen, sondern ihre Arbeit zu ergänzen und ihre Produktivität zu steigern.“

Vier Volontäre und zwei ausgebildete Journalisten sitzen in einer Bar in der Dresdner Neustadt.
Erfahrungsbericht

Neue Volo-Power

Im Herbst vergangenen Jahres sank der Altersdurchschnitt bei der Sächsischen Zeitung auf einen Schlag. Gleich vier Volontäre und eine Volontärin starteten in ein neues Abenteuer. Von einem aufregenden Start zwischen Redaktion, Druckerei und Kneipe.

Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit in den Lokalredaktionen trafen sich die „neuen“ und die „alten“ Volos zu einem gemeinsamen Streifzug durch die Welt der Sächsischen Zeitung. Zunächst mischten die fünf Neulinge gleich mal die Blattkritik auf: „Cooles Instaprofil, aber zu viele ‚Alte-Leute-Themen‘ bei der SZ“, so die Kernaussage.

Damit die Volos das nun besser machen können, lernten sie erst einmal alles über die Tricks des Onlinejournalismus und wie man eine eindrucksvolle Reportage schreibt. Wie das Ganze dann in die Zeitung kommt, wurde bei einem Druckereibesuch nachvollzogen.

Auch wenn die gedruckte Zeitung mittlerweile eher im Rentenalter ist, so ist sie noch immer bei vielen beliebt. Und seinen Charme hat das Knistern des Papiers ja irgendwie immer noch, oder? Dieser war definitiv auch im eher uncharmanten Keller unter dem Haus der Presse zu spüren. Dort unten schlummert das Archiv der Sächsischen Zeitung.

Hunderte Fotos, Zeitungen und Erinnerungsstücke laden auf eine kleine Zeitreise ein. Die Volos tauchten ab in frühere Jahrzehnte, als Redakteure rauchend in ihren Büros vor sich hinbrüteten und Texte noch per Rohrpost durchs Haus geschickt wurden.

Archiv-Mitarbeiter Jens Jahn beantwortete begeistert alle Fragen, auch wenn der eine oder die andere zugegebenermaßen nicht ganz auf der Höhe war. Schuld waren die Getränke am Abend zuvor. Gemeinsam mit den Co-Volobeauftragten Max und Franzi zog der „Nachwuchs“ bei einer Kneipentour durch die Neustadt. Die gemeinsame Zeit schweißte alle zusammen – und die neue SZ-Generation ist bereit. Hier erfahrt ihr mehr über unsere Volontärinnen und Volontäre. (lyk)

Ein Mann liest die Sächsische Zeitung und markiert mit einem Stift, was er liest.
Erfahrungsbericht

Was interessiert unsere Leserinnen und Leser?

Tim Ruben Weimer war kurz vor Ende seines Volontariats zu Gast bei den „Mehrwertmachern“. Dort prüfen Fachleute, welche Themen in der Zeitung auf Interesse stoßen – und welche nicht. Fernab vom Redaktionsalltag hat Tim so einiges für die Zukunft mitnehmen können. Ein Erfahrungsbericht.

Einen Monat lang keinen einzigen Artikel zu schreiben, das kann für einen Überzeugungs-Journalisten eine schwere Zeit werden. Dachte ich zumindest, als es im Zuge meines Volontariats für einen Monat zu den „Mehrwertmachern“ ging. Die Mehrwertmacher – das ist ein kleines Team vormaliger Redaktionsleiter, Datenanalysten, Entwicklern und Koordinatoren, die (derzeit noch) in einem Hinterhof um drei Ecken vom Dresdner Haus der Presse sitzen. Zusammen analysieren sie, wie gut die Artikel in der gedruckten Zeitung gelesen werden. Für die Online-Versionen unserer Artikel gibt es Clickzahlen, wir Journalisten schielen darauf, ob unser Artikel vielleicht einen Abonnenten angeworben hat, und bei den Social Media-Beiträgen analysieren wir die Reichweite. Die Mehrwertmacher machen das für die gedruckte Zeitung. Und ziehen Ratschläge für die jeweilige Redaktion daraus.

Ich merkte schnell: Fast macht es noch mehr Spaß, die Artikel anderer Kollegen zu kritisieren (natürlich nur solcher, die ich persönlich nicht kannte) als selber Artikel zu schreiben. Dafür schaute ich mir die aktuelle Ausgabe einer Zeitung an. In meinem Fall war das die Siegener Zeitung, die hatten nämlich gerade eine „Messphase“ bei den Mehrwertmachern laufen. Jeder Artikel bekommt automatisch zwei Werte zugewiesen: Einen Blickwert und einen Durchlesewert. Beide Werte generieren sich aus einer ausgewählten Gruppe von Lesern, die mit einem „Lesestift“ ausgestattet wurden und jeden Morgen (oder Abend) die Artikel scannten, die sie gelesen hatten. Anhand von Blick- und Durchlesewert konnten wir nun sehen, ob ein Artikel gelesen wurden und wenn ja, bis zu welcher Stelle.

Anhand dieser beiden Werte lernte ich schnell Zusammenhänge kennen: Die klassische Berichterstattung von Vereinssitzungen, die von manchen Zeitungen noch praktiziert wird, interessiert die Leser kaum noch. Und auch Konzertrezensionen und Berichte von Fußballspielen haben es schwer – wenn sie nicht mit einem besonders interessanten und ungewöhnlichen Dreh aufschlagen. Auch wenn der neue Vorsitzende von Verband xyz zu Besuch ist, geht das den Lesern meist erst einmal gehörig am A.. vorbei. Generell ist die Überschrift immens wichtig und muss den Kern des Textes auf den Punkt bringen, im besten Fall zusammen mit dem Vorspann noch irgendwie eine unaufgelöste Pointe vollbringen, damit der Leser unbedingt in den Text einsteigt.

Hohe Anforderungen an die Reporter. Und oft genug merkte ich selber, dass ich das Niveau an Leseransprache, das ich bei meinen vormittäglichen Artikel-Analysen kritisierte, selber nie leisten könnte. Das Wort, das im Gespräch mit den Redaktionscoaches am Häufigsten fiel, war sicherlich „Leserperspektive“. Was interessiert den durchschnittlichen Leser an dem Thema? Wenn ich am Wochenende auf den Herbstmarkt gehe – will der Leser dann wirklich eine bloße Nacherzählung meines Spaziergangs von Stand zu Stand lesen? Oder finde ich vielleicht doch die kleine, besondere Geschichte, die es all die vorigen Jahre so noch nicht gegeben hat?

Bei den Mehrwertmachern sind die Redaktionscoaches höchst routiniert. Sie haben langjährige Erfahrungen mit eigenen Redaktionen gemacht und wissen genau, was bei den Lesern funktioniert und was nicht. Manchmal hatte ich das Gefühl, die Messwerte dienten ihnen eigentlich nur als Beweismittel, die Schlüsse hätten sie aber auch ohne die Zahlen treffen können.

Eine Kategorisierung, die mir völlig neu war, betraf die Unterteilung der Artikel in Muss-Themen, Kann-Themen und Soll-Themen. Ohne die Muss-Themen gelesen zu haben, kann der Zeitungsleser nicht ins Bett gehen. Bauarbeiten, Preiserhöhungen oder der Bombenfund vor seiner Wohnungstür – die Themen betreffen den Alltag des Lesers unmittelbar. Bei den Soll-Themen hätten wir Journalisten gerne, dass der Leser die betreffenden Artikel liest. Im Endeffekt geht es bei diesen Artikeln aber nur darum, gut informiert zu sein und bei (oftmals politischen) Diskussionen mitreden zu können. Beim Leser muss also schon ein gewisser Anspruch an sich selbst vorhanden sein, um diese Artikel zu lesen. Und bei den Kann-Themen ist es dann völlig willkürlich, ob ein Artikel nun gelesen wird oder nicht. Manchen interessiert halt die Arbeit der örtlichen Vogelschutzstation, andere nicht. Auf keine dieser Themen sollte eine gute, abwechslungsreiche Zeitungs-Ausgabe verzichten, aber die Muss-Themen, die wirklich alltagsrelevanten Themen, sollten den Großteil des Platzes füllen. Aber sind wir mal ehrlich: Kaum einer von uns hat so ein gutes journalistisches Gespür, jeden Tag nur Muss-Themen zu produzieren. Den Großteil der meisten Zeitungen füllen immer noch Kann- und Muss-Themen. Die Berichte von Vereinen, Ratssitzungen, neu eröffneten Geschäften oder Tanzabenden.

Für mich habe ich aus meiner Zeit bei den Mehrwertmachern die Lehre gezogen: Überlege, was das was du gerade schreibst, für das Leben der Menschen bedeutet. Wir Journalisten überschätzen die Bedeutung unserer Worte viel zu häufig. Die großen, politischen Diskussionen mögen viele interessieren, aber in erster Linie sind wir Journalisten Lebensberater. Wir geben den Lesern die Informationen, die sie für ihren Alltag wirklich brauchen. Zumindest im Lokaljournalismus funktioniert das so, aber ich bin der Meinung, dass auch in der Politik, im Feuilleton oder im Sport Lesernähe möglich ist. Und wenn es dann statt um den neuesten Spielertransfer bei Dynamo Dresden einfach mal um die Parkplatzsituation vor dem Stadion geht, hat das nichts mit Niveaulosigkeit oder einem Downgrade des journalistischen Anspruchs zu tun. Es zeigt, dass wir uns um unsere Leser kümmern.

Als Volo eine Station bei den Mehrwertmachern einzulegen, kann ich nur jedem empfehlen. Mit Datenjournalismus – wie ich mir das im Vorhinein vorstellte – hatte der Monat tatsächlich wenig zu tun. Stattdessen war jeder Tag eine Praxislektion an journalistischem Handwerk – ohne sich dabei selber auf den Schuh gedrückt zu fühlen. Ach, und das Beste habe ich vergessen: Die Mehrwertmacher sind so hipp, dass es im Büro Cola for free gibt! 😉

Das Haus der Presse in Dresden.
Wie geht Journalismus

Was ist ein Volontariat?

Ein Volontariat ist der Einstieg in die meisten Journalistenberufe, ob Hörfunk, Fernsehen, oder eben Zeitung. Da dieser Blog vom Berufseinstieg handelt und auch von den SZ-Volos betrieben wird, stellen wir hier in einem kurzen Video vor, wie das Volontariat bei der Sächsischen Zeitung abläuft.

Bei der SZ gibt es meist vier bis sechs Volontär*innen zeitgleich. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und man tingelt durch die meisten überregionalen Ressorts und einige Lokalredaktionen. Zwischendurch gibt es Schulungen, Workshops, Projekte und einen einmonatigen Aufenthalt an der Henri-Nannen-Schule. Der Name Volontariat kommt eigentlich von Freiwilligkeit und damit hat es wenig zu tun. Ehrliches Geld für ehrliche Arbeit gibt es, na wenn das nichts ist!

In diesem kurzen Video erklären euch die Volontäre Niels und Martin, wie das Volontariat bei der Sächsischen Zeitung abläuft.

News

Zwischen Stadtrat und Spielplatz

Nicole Preuß (30) versucht, Familienleben und Redaktionsalltag zu vereinbaren. Die Bautzenerin wird dabei zum Organisationstalent.

Als mich die Tagesmutter meines Sohnes zum ersten Mal anruft, höre ich es nicht. Ich sitze im Bautzener Stadtrat. Mein Handy ist natürlich aus. Die Tagesmutter will mir sagen, dass mein Sohn Fieber hat und abgeholt werden müsste. Doch das höre ich erst viel später, als mein Mann und er schon zu Hause sind. Das ist einer der Momente, indem ich mich frage, ob ich das alles schaffe. Täglich acht Stunden arbeiten in der Bautzener Lokalredaktion der Sächsischen Zeitung und gleichzeitig ein Baby betreuen.

Doch ich habe das bewusst so gewählt. Vor zwei Monaten stieg ich wieder ein. Da war mein Sohn fast ein Jahr alt. Nun bin ich wieder als Stadtredakteurin unterwegs. Ich klettere auf Baustellen herum, schaue einem Baumpfleger bei seiner Arbeit zu oder sehe mir das Baugelände für die neue Krippe an. Und ich bin glücklich darüber. Mein Traumjob. Jeden Tag etwas Neues erleben und darüber schreiben. Also versuche ich, meine Arbeit in der Redaktion und zu Hause zu verbinden.

Das geht vor allem über ein striktes Zeitmanagement. Jeden Tag um dieselbe Zeit aufstehen, egal ob die ersten Backenzähnchen meinen Sohn und mich kaum schlafen ließen oder nicht. Frühstücken und schließlich ab ins Auto und zur Tagesmutter. Dort bekommt mein Sohn dann sein Programm, in der Redaktion wartet meins. Meine Spezialgebiete sind dabei, wen wundert’s, Krippenbetreuung und junge Familien. Doch beinahe wäre es gar nicht so weit gekommen. Denn einen Betreuungsplatz finden, ist auch in Bautzen gar nicht so einfach. Schon mehrere Monate vor der Geburt fing ich an zu suchen. Ich telefonierte alle Tagesmütter der Stadt ab. Vergebens. Bis ich schließlich doch noch mit etwas Glück in der Umgebung fündig wurde. Das heißt für mich zwar morgens Autofahren. Doch für meinen Sohn bedeutet das auch Katzen, Hunde und einen kleinen Spielplatz am Haus.

Nachmittags ist dann mein Mann dran. Er holt den Kleinen ab, spielt mit ihm, gibt ihm zu Essen und badet ihn. Wenn ich keinen Termin habe, bringe ich meinen Sohn dann noch mit ins Bett. Da bleibt nicht viel Zeit für ihn. Doch ich habe eine Variante gefunden, wie sich das lösen lässt. So spielen mein Sohn und ich morgens nach dem Frühstück noch mindestens eine halbe Stunde miteinander. Dann darf er bestimmen, was ihm Spaß macht. Da wird aus und eingeräumt, ein Buch angeguckt oder durch die Wohnung gekrabbelt. Alles ohne Ablenkung. Das gelang mir fast nie, als ich noch den ganzen Tag mit ihm zuhause war. Doch jetzt klappt das ganz wunderbar. Ganz abgesehen von den Wochenenden, an denen wir Drachen steigen lassen, um den Stausee wandern oder einen Krabbelfreund besuchen.

Nach der Fiebernachricht bin ich übrigens einige Tage mit meinem Sohn zuhause geblieben. Und das obwohl gerade viele Kollegen fehlten. Mein Chef machte mir die Entscheidung leicht. Auch mein Mann blieb ein paar Tage bei unserem Sohn. Dann war der Kleine wieder gesund und konnte zur Tagesmutter gehen. Und jetzt, bleibt mein Handy während der Stadtratssitzung tonlos auf dem Tisch liegen. Man weiß ja nie.

News

Nach Redaktionsschluss zum Holzhacken

Wulf Stibenz hat in viel von der Welt gesehen: als Stipendiat in den USA oder auf Reisen nach Ägypten oder Russland. Heute leitet er die Redaktionen Niesky und Weißwasser und liebt das Leben auf dem Land.

Wulf StibenzWulf, wie hast du dir anfangs die Region zwischen Weißwasser und Niesky vorgestellt?

Als Student war ich nur einige Male zu Eishockeyspielen in Weißwasser oder auch zu Wanderungen in Polen und der Tschechei. Die Stadt habe ich vom Durchfahren damals als trist in Erinnerung, voller DDR-Hochhäuser und ohne kulturelle Attraktionen. Niesky hingegen musste laut Buschfunk eher klein, bürgerlich und langweilig sein. Rundum gab es ja nur Tagebaue und Kraftwerke, die Neiße als Grenzfluss und im Süden die Autobahn.

Wie hat es dich nach diversen Praktika bei Medien, Firmen und Ministerien doch aufs  Land verschlagen?

Nach meinem Studium hatte ich Großstädte, das etwas Aufgesetzte, das Schnelllebige und das Überangebot satt. Ich war durch die halbe Welt gereist, aber kaum durch Sachsen. Nur durch das Volontariat bei der SZ habe ich Lokalredaktionen und die Menschen vor Ort kennengelernt. Je weiter ab vom Schuss die waren, desto interessanter habe ich das immer empfunden.

Was macht die Menschen in der Region aus?

Ein Großteil der Klischees über Weißwasser oder Niesky stimmt nicht – wie so oft bei Klischees. Ich habe Weißwasseraner kennen und schätzen gelernt, die für ihre Stadt alles geben. Menschen, die trotz der sozialen und wirtschaftlichen Probleme vor Ort nicht der Karriere wegen wegziehen, die ihre Stadt mitgestalten wollen. Das ist faszinierend. Ich behaupte, dass ein Weißwasseraner, Rothenburger oder Nieskyer sich mehr mit dem Herzen für seine Stadt einsetzt, als es ein Dresdner, Leipziger oder Cottbuser tut – weil allen klar ist, dass es oftmals keinen anderen gibt, der die nötigen Aufgaben sonst erledigt.

Wie nah bist du beim Volontariat den Menschen gekommen, so ohne Ortskenntnis und Kontakte?

Ich habe mir dank der SZ-Kollegen vor Ort immer eine Unterkunft direkt in meiner Volo-Region gesucht. Ganz absichtlich, um schnell zu den Leuten dort Kontakt aufzunehmen, ihre Träume, Sorgen und Hoffnungen zu erkunden – und um ein Gefühl dafür zu bekommen, was gerade Thema ist. Fast jeden Abend bin ich vor Ort auch privat unterwegs gewesen – und auch übers Wochenende geblieben, obwohl ich in Dresden ja eine Wohnung hatte. Von täglichen Autobahnfahrten zur Arbeit habe ich nie etwas gehalten.

Ganz allein werkelt man als Volo im Lokalen ja nicht …

Die Tipps der Kollegen sind immer hilfreich. Sie sind es ja, die sich mit der Materie ihrer Region auskennen. Sie können Entwicklungen und Ereignisse sofort einordnen. Klar, mit etwas Berufserfahrung kann ein guter Journalist auch ohne Ortskenntnis und Kontakte trotzdem eine gute Geschichte bringen. Aber der Mehrwert des Eindringens in die Materie ist für die persönliche Entwicklung und die Zeitung unbezahlbar. Ich habe deshalb meine Volo-Stationen als ein riesiges Geschenk empfunden. Und es hat mich vor allem Respekt vor den Leistungen der Lokalredakteure gelehrt. Selbst wenn ein Nachwuchsjournalist später in Mantelredaktionen oder bei überregionalen Publikationen tätig sein will – der Einblick ins Lokale ist meines Erachtens von enormer Bedeutung.

Wie schaffst du es zwei Lokalredaktionen zu leiten, die über 30 Kilometer auseinanderliegen?

Nicht alle Redaktionsangelegenheiten können per Telefon oder Mail koordiniert werden. Ohne Auto wäre ich komplett aufgeschmissen. Der persönliche Kontakt – das habe ich auch als einen der wichtigsten Unterschiede zur Arbeit in urban geprägten Regionen schätzen gelernt – ist nicht durch fernmündliche Verbindungen zu ersetzen. Auch die Geschichten für die Zeitung entstehen hier deshalb oft anders. Denn die Wege zu den Menschen, über die wir berichten, sind lang. Zeit ist das wertvollste Gut – also musst du dich richtig gut organisieren. Fehler sind dabei im Laufe eines Tages oft nicht zu korrigieren, dürfen also nicht passieren.

Gerade, wenn es eine Konkurrenzzeitung gibt…

Der Zeit- und Qualitätsdruck bei Tageszeitungen ist enorm und richtig – die Kunst ist es, die eigenen Ansprüche und externen Anforderungen an die Arbeit für sich positiv zu besetzen. Dann bereitet Journalismus sehr viel Freude. Positiver Stress also, der einen fordert und anregt. Umso wichtiger ist es, im Spannungsfeld den privaten Ausgleich und sein Glück zu finden. Denn nur so sind kreative und rationale, effektive und feinsinnige, aufsehenerregende und bodenständige Resultate möglich.

Was kann man denn in der Gegend nach Feierabend machen – außer, Eishockey gucken?

Die Region hat viel mehr zu bieten als eine faszinierende Landschaft. Es gibt hier natürlich auch Szenen – von Jugend- bis Hochkultur. Und die müssen sich nicht vor denen in größeren Städten verstecken. Der Unterschied ist nur in der Masse des Angebots, nicht in der Qualität. Und es hat eben auch viel Charme, wenn sich auf Veranstaltungen von Konzerten bis bildnerische Kunst, Lesungen oder Sportaktionen viele Leute kennen, weil sie sich immer wieder treffen. Das schafft eine zusätzliche Verbindung, die ich so in größeren Städten nie erlebt habe. Das Leben „auf dem Lande“ ist also tatsächlich schön, wenn man sich darauf einlässt.

Wie hast du hier dein privates Glück gefunden?

Mein Glück entsteht durch ein Wechselspiel. Ich baue ein altes Jägerhaus mitten im Wald bei Niesky aus – wo ich mit Frau, Kind, drei großen Hunden und vier Katzen lebe. Ringsum ist nichts als Wald. In der Redaktion hingegen sind wir komplett vernetzt, schnell und aktuell. Privat habe ich weder Internet, noch Telefon – nur Handy natürlich. Auf Arbeit habe ich jeden Tag mit vielen unterschiedlichen Personen zu tun. Privat habe ich im Wald normalerweise nur meine beiden Nachbarn – die 1,8 und 2,4 Kilometer entfernt, auch irgendwo im Nirgendwo einen Hof haben. In der Redaktion muss alles professionell ablaufen. Beim Hausumbau werkele ich gerne selbst rum. Es ist der Ausgleich, der große Zufriedenheit und eben auch Glück ermöglicht.

Du wohnst also ganz abgeschieden. Wie pflegst du den Kontakt zu Kollegen, die nicht am Schreibtisch nebenan sitzen?

Das Kantinengespräch mit Kollegen anderer Redaktionen fällt ja leider aus. Der Einfluss anderer Denk- und Sichtweisen ist in einer Lokalredaktion also naturgemäß kleiner. Deshalb wird viel telefoniert. Und ich pflege gerne die Kontakte zu Kollegen. Das ist mit den diversen Online-Netzwerken einfacher geworden. Nur – ersetzen können sie den persönlichen Kontakt nicht.

Besuchen dich Kollegen anderer Redaktionen eigentlich im Wald?

Einige lieb gewordene Kollegen besuchen mich mehr oder weniger regelmäßig im Waldgut. Ich glaube, das ist für viele Städter auch etwas Therapie – so ganz ohne Straße, Laternen, Post, Trinkwasserleitungen, Internet, Bus, Bahn, Kneipe oder gar Nachbarn in Sichtweite. Ich genieße die Besuche sehr, weil ich viele der SZ-Kollegen beruflich und eben auch menschlich sehr schätze. Wenn es sich einrichten lässt, revanchiere ich mich natürlich auch gerne – es ist ja nicht so, dass ich ungern in der Stadt bin. Unter dem Aspekt betrachtet ist die SZ auch eine Art Journalistenfamilie.

Die Fragen stellte Dagny Rößler.

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„Zeitungmachen ist eine Frage des Herzblutes“

Jens Ostrowski leitet die jüngste Redaktion der Sächsischen Zeitung. Nur ein Jahr nach seinem Volontariat bei der Westfälischen Rundschau bewarb er sich auf die Stelle in Riesa.

Wie ist es, wenn eine Redaktion aus Dreißigjährigen für die Leser um die Sechzig schreibt? 

Dass der Altersdurchschnitt unserer Abonnenten steigt, alarmiert uns. Wir werden aber nicht den Fehler machen und eine Seniorenzeitung produzieren. Wir setzen auf eine Themenmischung, die für alle Generationen etwas bereithält. Wir machen eine Zeitung für die ganze Familie, weil wir nur so bei potenziellen – auch jungen – Neuabonnenten punkten können. Das junge Durchschnittsalter unserer Redaktion spielt bei den Lesern keine spürbare Rolle. Was man aber manchmal zu hören bekommt, gerade wenn in der Zeitung ein Fehler passiert ist, vielleicht der Straßenname falsch geschrieben wurde: „Na ja, die kommen ja nicht von hier.“ Und gerade weil nicht alle aus unserer Redaktion aus der Region stammen, ist es besonders wichtig, noch aufmerksamer zu arbeiten.

Und wo liegt der Altersdurchschnitt bei den Lokalchefrunden?

Wie alt die Kollegen im Einzelnen sind, weiß ich natürlich nicht genau. Der Durchschnitt liegt so bei Anfang 50. Ich selbst bin im Februar 30 geworden – und damit das Nesthäkchen in der Lokalchefrunde.

Viele junge Leute zieht es nach Berlin, Hamburg oder Dresden. Warum ist Riesa der richtige Ort für junge Journalisten?

Ich kenne ja die Arbeit in der Großstadtredaktion Dortmund, die unheimlich viel Spaß gemacht hat. Aber, um als Redaktionsleiter Fuß zu fassen, kann ich mir keinen besseren Ort als den Altkreis Riesa vorstellen. Hier gibt es alles, was man braucht, um Zeitung zu machen. Die Stadt befindet sich im Strukturwandel, hier gibt es ein eigenes Amtsgericht, eine Justizvollzugsanstalt, mehrere wirtschaftliche Globalplayer, die Gedenkstätte eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers, hier sind 1945 Ost- und Westfront aufeinander getroffen. Dazu kommt ein Fußballverein mit großer DDR-Tradition, der wieder in die Oberliga aufsteigen will. Nicht zu vergessen: Hier wohnt die NPD-Bundesführung, hier sitzt der NPD-Verlag Deutsche Stimme. Das alles zusammen macht die journalistische Arbeit hier unheimlich spannend.

Wie sind Sie so schnell Chef geworden?

Durch eine Stellenanzeige bei newsroom.de. Die Aussicht darauf, eine Lokalausgabe weiterzuentwickeln, hat einen unheimlich großen Reiz auf mich ausgeübt. Und das hat sich bis heute nicht geändert. In diesen schwierigen Zeiten ein Blatt zu machen, das nicht nur die Bestandsleser befriedigt, sondern auch neue findet, halte ich für eine riesengroße Herausforderung. Man braucht Ideen und muss viel ausprobieren. Und man darf sich nicht zu schade sein, Neuerungen, die nicht funktionieren, wieder rückgängig zu machen. Solche Aufgaben sind nichts für Sicherheitsfanatiker. Mich reizen sie. Mir ist bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, ein Jahr nach dem Volontariat auf eine Redaktionsleiterstelle zu rutschen. Bei der SZ habe ich die Chance vor anderthalb Jahren geboten bekommen. Und das war für mich auch der Hauptgrund für den beruflichen Wechsel aus einer Mantelredaktion zurück ins Lokale.

Fehlt Ihnen als Redaktionsmanager manchmal das Schreiben?

An die Umstellung muss man sich gewöhnen. Plötzlich geht es nicht mehr nur darum, Themen zu finden, Termine wahrzunehmen und diese für die eigene Seite zu schreiben. Plötzlich geht es um das große Ganze. Um Etatfragen, um Personalplanung, um sämtliche administrative Aufgaben, die mit Journalismus rein gar nichts zu tun haben. Dazu kommt der redaktionelle Alltag, aus dem man sich in einer fünfköpfigen Redaktion nicht komplett herausnehmen kann. Freiräume sind aber wichtig, wenn man die Zeitung weiterentwickeln möchte. Die Konzeptplanung von Serien, neuen Rubriken, Formen der Leser-Blatt-Bindung braucht Zeit, die man sich nehmen muss. Ich weiß ein junges, dynamisches Team hinter mir, das mir diese Freiräume ermöglicht – und auf das ich mich verlassen kann.

Was macht Ihre Redaktion anders als die alten Hasen?

Ich habe in den letzten zehn Jahren gemerkt, dass es keine Frage des Alters ist, ob eine Redaktion eine gute Zeitung macht oder eben nicht. Mir sind Kollegen mit 40 Jahren Berufserfahrung über den Weg gelaufen, die ihr Blatt richtig rocken, die überraschende Themen setzen und auf ausgefallene Optiken stehen. Dann sind mir junge Kollegen begegnet, die Zeitung so verstehen, wie sie vor dreißig Jahren gemacht wurde. Das Klischee von dynamischen Jungen und eingestaubten Alten ist also völliger Quatsch. Zeitungmachen ist eine Frage des Herzblutes und nicht des Alters. In Riesa wollen wir überraschende Inhalte in frischen Optiken präsentieren. Zum einen brauchen wir Themen, die große Teile unserer Leserschaft interessieren. Und wenn die noch optisch so präsentiert sind, dass sie den Leser schnell leiten und dazu noch verblüffen, weil das Layout aus dem Rahmen fällt, sind wir zufrieden. Aber die Zeitung darf nicht zum Kirmesblättchen werden.

Wie sieht die optimale Ausgabe also aus?

Man braucht eine durchgehend sauber gestaltete Zeitung mit einzelnen Höhepunkten. Alles in allem ist das der tägliche Versuch, Henri Nannens berühmten Küchenruf zu provozieren: „Hast Du schon gelesen, was in der Zeitung steht?“ So landet die Azubi-Serie in den Händen des Enkels. So gelangt der Kita-Test zur jungen Familienmutter. Und so erfährt auch der Nichtleser, dass der Bürgermeister beim Diebstahl von gemeindeeigenen Pflastersteinen erwischt wurde. Wann immer ein Nichtleser unsere Zeitung in die Hände bekommt, muss er Themen finden, die ihn brennend interessieren. Je öfter das geschieht, desto größer die Chance, dass er künftig für unsere Inhalte zahlt.

Die Fragen stellte Dagny Rößler.