Es gibt ein Format im Journalismus, das geht gern unter, viele sträuben sich davor, aber es ist sehr wichtig: der Kommentar. In einem unserer Volo-Seminare haben wir uns damit beschäftigt. Mit wenig Zeit und nur grober Vorkenntnis haben wir uns also mal die Klimapolitik angesehen. Die Endergebnisse wollen wir euch nicht vorenthalten.
1) Verschläft Sachsen die Klimakrise?
Alle Jahre wieder bricht der aktuelle Sommer den Hitzerekord vom vergangenen Jahr und führt uns die Klimakrise in erschreckender Deutlichkeit vor Augen. Hinzu kommen extreme Wetterereignisse wie Hurrikan Milton, Flutkatastrophen in Spanien und Hochwasser in Süddeutschland. Und schließlich sollte auch der letzte Skeptiker – in seiner heilen, kleinen Welt – erkennen, dass der Klimawandel längst Realität ist.
In dieser ohnehin schon hitzigen Phase sendet die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ein fatales Signal. Seine Ankündigung, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen und auf fossile Brennstoffe zu setzen, könnte einen gefährlichen Dominoeffekt auslösen.
Vor diesem Hintergrund ist Sachsens zögerliche Klimapolitik nicht länger hinnehmbar. Während andere Bundesländer längst Klimaschutzgesetze verabschiedet haben, verharrt Sachsen im Stillstand. Die Behauptung der Landesregierung, einen „überdurchschnittlichen Beitrag“ im Kohleausstieg zu leisten, ist angesichts fehlender verbindlicher Ziele nicht haltbar.
Ein sächsisches Klimaschutzgesetz ist dringend nötig, um Behörden in die Pflicht zu nehmen und Klimafolgen abzumildern. Die Kommunen benötigen dabei finanzielle und personelle Unterstützung sowie vereinfachte Fördermöglichkeiten. Es ist Zeit, dass Sachsen die Klimapolitik zur Chefsache macht.
2) Die Politik vergisst den größten Krieg unserer Zeit
Kriege in Nahost und der Ukraine, eine zerbrochene Bundesregierung und ein Faschist an der Spitze der größten Volkswirtschaft der Welt. Diese Themen dominieren aktuell die deutschen Nachrichten und damit auch die Politik. Haben wir in letzter Zeit nicht etwas vergessen? Etwas, das alle betrifft, ob Konservative oder Progressive, ob Deutsche oder Amerikaner. Das Klima. 2024 wird dem EU-Klimawandeldienst „Copernicus“ zufolge so gut wie sicher das erste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn werden, in dem es im Durchschnitt mehr als 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel war. Damit werde es auch das wärmste Jahr seit dem Start der Messungen.
Extremer Regen, anhaltende Dürren, heftige Stürme – das alles nimmt statistisch zu, doch in der Politik gehen Klimathemen zwischen anderen Krisen unter. Das ist ein katastrophales Zeichen der Gleichgültigkeit, das keineswegs in Relation zu den möglichen Auswirkungen der steigenden Erderwärmung steht.
Der Klimawandel tötet Menschen. Nicht perspektivisch, sondern jetzt. Den zehn weltweit tödlichsten Wetterereignissen der letzten 20 Jahre sind mehr als 570.000 Menschen zum Opfer gefallen. Vier davon waren in Europa. Der Klimawandel ist wie ein globaler Krieg, der zwar manche Länder stärker trifft als andere, aber keines verschonen wird. Ein Krieg, der nicht mehr gewonnen werden kann, nur verzögert.
Deshalb müssen Klima-Themen wieder mehr Platz in der Politik bekommen. Nichts kann fataler sein, als den Blick für den großen Krieg unserer Zeit zu verlieren.
3) Wenn Klimapolitik nur stört
Mit Klimaschutz werden wohl keine Wahlen gewonnen. Trump will aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. In Deutschland wird über der Rückkehr zur Kohle nachgedacht und ob Windräder schön genug sind oder doch lieber wieder abgebaut werden sollten. Es werden globale Hitzerekorde gebrochen und Extremwetterereignisse, wie das Hochwasser in Spanien nehmen auch hierzulande zu. Doch die Parteien ziehen sich aus dem Thema zurück. Ist die Angst zu groß Wähler zu verlieren, wenn man klare Kante zeigt? Bei anderen Themen funktioniert es doch auch. Die deutsche Klimapolitik wirkt aktuell wie ein Flickenteppich aus Kompromissen, Verzögerungen und kurzfristigen Lösungsansätzen, wenn sie überhaupt zur Sprache kommt.
Aber nur, weil der Klimaschutz ignoriert wird, ändert sich nicht das Grundproblem: Weiterhin werden die Meeresspiegel steigen. Weiterhin wird jedes Jahr das „wärmste Jahr seit der Wetteraufzeichnung“ und weiterhin werden Naturkatastrophen zunehmen. Jahrhunderthochwasser und Ernteausfälle wegen spätem Frost oder Dürre werden alltäglich. Dazu kommen die ausführlichen und hitzig geführten Debatten um Gebäudesanierungen und Wärmepumpen, die anscheinend zum Verlust des allgemeinen Interesses geführt haben. Es stellt sich eine Gleichgültigkeit gegenüber der Klimapolitik ein oder sie kommt nur zur Sprache, wenn man sie für Grabenkämpfe nutzen kann. Das Interesse ist weg, also ist auch Klimapolitik nicht mehr wichtig?
4) Klimaschutz ist nicht hässlich
Friedrich Merz findet Windräder also hässlich und möchte sie lieber heute als morgen wieder abbauen. Wie sein Parteikollege und Ministerpräsident Sachsens, Michael Kretschmer, zur Ästhetik von Windkraftanlagen steht, ist zwar nicht abschließend geklärt. Doch ging der Ausbau der erneuerbaren Energien im Freistaat in den letzten Jahren, vorsichtig ausgedrückt, eher schleppend voran. Viel lieber scheint sich Kretschmer an „grüner Ideologie“ abzuarbeiten, als konstruktive Klimapolitik im Freistaat voranzubringen. Dabei gibt es dort noch so viel Nachholbedarf.
Und der ist nicht zuletzt eben auch der CDU zuzuschreiben. In Thüringen etwa plakatierte die im Vorfeld der Landtagswahl „Grillen muss erlaubt bleiben“ und halluzinierte damit ein vermeintlich drohendes Grill-Verbot herbei. Die CDU bewegte sich auf der Populismus-Skala damit auf der Ebene des peinlichen Onkels auf der Polit-Familienfeier. Ganz nah der panisch-empörten Schnappatmung, die sonst nur Hafermilch oder der pinke DFB-Dress auslösen. Bei denen lässt sich über Geschmack streiten, bei Windrädern nicht. Zumindest nicht so – und schon gar nicht im Stile einer Regierungspartei, die den menschengemachten Klimawandel bekämpfen sollte. Katastrophen wie zuletzt in Valencia zeigen, was eben jener auch vermehrt in Sachsen auslösen könnte – und dann wird es wirklich hässlich.
Also: weniger Stilfragen und wieder mehr sachliche Klimapolitik braucht es von der CDU – für ein Ziel, das größer ist als Wahlkampf und populistische Parteipolitik.