Erfahrungsbericht

Locked down in Görliwood

Max hat die Corona-Ausgangsbeschränkungen in einem Görlitzer Hausprojekt verbracht. Von Planlosigkeit, Bundespolizei und rechtsradikalen Pizzabäckern.

Die Stipo ist die Stille Post, ein Hausprojekt mitten in Görlitz. Eine alte Villa, kurz vor dem Abriss, um dem geplanten Kaufhaus-Projekt zu weichen (es soll ohne Witz ein Parkhaus hin – kannste dir nicht ausdenken). Fünf Leute, ein Hund und ich. Mein Zimmer eine Pritsche und ein Kohleofen, eine alte Kommode, ein aus Bierkästen und einem Brett gebauter Schreibtisch. Dafür gutes Internet. Das war auch entscheidend, weil Homeoffice. Gleichzeitig beschloss das Haus im Plenum, dass es solidarisch ist, sich an die Kontaktbeschränkungen zu halten. Jackpot.

Persönlich war es natürlich eine Wucht. Ich habe die Leute im Haus in den Wochen kennen und schätzen gelernt, sie waren so überhaupt nicht, wie man sich Görlitz vorstellt. Nur das Grillen im Garten geriet aus lauter Panik vor der Polizei zum Nervenkitzel. Seit dem Schließen der polnischen Grenze hatten die freie Kapazitäten (O-Ton Polizeisprecher) und waren deswegen fleißig mit Kontrollen beschäftigt. Im Minutentakt fuhren die Autos durch Görlitz, es war bizarr.

Was zur großen Herausforderung geriet, war der Journalismus. In eine fremde Stadt zu kommen und aus dem Nichts Themen zu finden, ist schon so ein Ding der Unmöglichkeit. Meine Strategie ist dann meistens, durch die Stadt zu laufen und Themen zu „suchen.“ Mit Ausgangsbeschränkung schwierig. Also verbrachte ich Stunden damit, auf dem Hausdach zu liegen, in den Himmel zu starren und mir interessante Fragen über Görlitz aus dem Hirn zu saugen. Gute Übung. Aber verdammt anstrengend.

Dazu noch die alles erstickende Monothematik. War es am Anfang noch faszinierend, jedem Hinweis auf das Virus nachzugehen, wurde es nach einigen Woche zäh wie Kaugummi. Es passierte ja nichts. Und die fünfhundertste Story zu schreiben, wie Gastronom XY jetzt leidet? Wer liest sowas? Da war der Pizzabäcker, der wegen Corona (an das er nicht glaubt, alles gesteuert) seinen Lieferando-Vertrag gekündigt hat, noch eine willkommende Abwechslung. Das Gespräch war zwar etwas unangenehm (AfD yay, Geflüchtete ney, alle anderen korrupt), aber immerhin etwas.

Doch gerade wegen dieser intensiven Zeit, war der Abschied aus Görlitz echt schwer. Und obwohl ich am Anfang gar nicht dorthin wollte, hab ich im Zug zurück nach Hause nicht nur eine Träne verdrückt. Görlitz ist eine faszinierende Stadt. Echt jetzt.

News

„Fakten allein erzählen keine Geschichten“

Foto: Nikolai Schmidt
                                   Foto: Nikolai Schmidt

Volontäre stellen sich vor: David Berndt (32) ist seit Juli bei der Sächsichen Zeitung. Vorher hat er in der Lokalredaktion Görlitz und für verschiedene Radioprojekte gearbeitet. Für die Ausbildung hat er das „Großstadtleben“ in Leipzig beendet und ist in die Oberlausitz zurückgekehrt.

Klick gemacht hat es, … als ich in der Schule gemerkt habe, wie spannend das Spiel mit der Sprache ist. Dazu kommen meine vielfältigen Interessen von Literatur und  Zeitgeschichte über Fußball bis hin zu regionalen Themen. All das gibt es in Tageszeitungen. Deswegen ist die SZ für mich der ideale Ort, um meiner Neugier freien Lauf zu lassen und dabei immer wieder vom Alltag überrascht zu werden. Auch wenn mein Weg zur Zeitung ein wenig länger war und ich wahrscheinlich als Quereinsteiger gelte.

Vor dem Volo hätte ich nicht gedacht, dass … „Blattmachen“ so viel Spaß machen kann. Zurzeit bin ich in Dresden im Ressort Politik/Wirtschaft und kümmere ich mich regelmäßig um bestimmte Seiten. Das bedeutet, Texte zu redigieren, Bilder zu suchen und mit einer Bildunterschrift zu versehen, Agenturmeldungen auszuwählen und auf die richtige Länge zu bringen und die passenden Überschriften und Untertitel zu schreiben. Da sind wir wieder beim Thema Spiel mit der Sprache.

Mein Leben ohne Journalismus hätte so ausgesehen, … Ich wäre nur Zeitungsleser, aber nicht auch Zeitungsmacher.

An diese Geschichte erinnere ich mich oft… Natürlich habe ich meine persönlichen Lieblingsgeschichten. Aber ich erinnere mich eher an bestimmte Szenen oder an charakteristische Personen. Das kann zum Beispiel eine Sitzung im Stadt- oder Gemeinderat sein. Dort geht es oft sehr emotional zu und die Tagesordnung wird schnell mal zur Nebensache. Das ist manchmal anstrengend, weil zeitraubend, aber dafür spannend und unterhaltsam. Da erfährt man mindestens genauso viel über die Stimmung und Atmosphäre in Stadt oder Dorf XY wie durch die nüchternen Beschlussfassungen. Und dann gibt es Menschen, die einfach eine interessante Geschichte erzählen, die man „nur“ noch aufschreiben muss.

Ich bin Spezialist für…  Menschen, weniger für Fakten. Letztere sind natürlich notwendig, erzählen allein aber keine Geschichte.

Dass ich bei der SZ richtig bin, habe ich gemerkt… als ich immer wieder ins kalte Wasser geworfen wurde. Egal in welcher Redaktion. Zwar unter Anleitung, aber doch immer mit großer Verantwortung, die mich eher beflügelt als gehemmt hat.

News

Zeitung machen wie die Profis

Fotografieren, interviewen, Reportagen schreiben, layouten – kurzum: Zeitung machen wie die Profis. Die Schüler-SZ macht’s möglich. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie eine Zeitung entsteht und das vor allem selber ausprobieren möchte, kann sich jetzt bewerben. Die SZ erklärt, wie.

Thomas KretschelWie läuft das Projekt Schüler-SZ ab?

Die Schüler-SZ ist eine Ausgabe der Sächsischen Zeitung, die zum großen Teil von Schülern gestaltet wird, sowohl in den 20 Lokalredaktionen als auch in den Zentralredaktionen in Dresden: etwa Politik, Wirtschaft, Sport oder Kultur. Unter der Anleitung von vielen erfahrenen Redakteuren werden die Schüler recherchieren und schreiben. Am Sonnabend, 6. Juli, landet die Schüler-SZ in den Briefkästen der Leser.

Um welche Themen geht es?

Wir wollen mit der Schüler-SZ Themen aufgreifen, die 14- bis 18-Jährige bewegen – eine Generation, die mit Internet, Handy und Smartphone aufgewachsen ist. Deshalb heißt das Motto in diesem Jahr: „Alles digital?!“ Die Artikel sollen das Leben im digitalen Zeitalter aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, beispielsweise Schule, Freundschaft, Liebe, Gesellschaft, Beruf.

Wer kann mitmachen?

Das Projekt richtet sich an Schüler der achten bis zwölften Klassen an Mittelschulen und Gymnasien im gesamten Verbreitungsgebiet der SZ. Wer sich für das tagesaktuelle Geschehen interessiert, gerne und gut schreibt, Fragen stellt und neugierig auf die Welt schaut, ist bei der Schüler-SZ genau richtig. Außerdem suchen wir talentierte Fotografen. Auch wer auf diesem Gebiet schon Erfahrungen gesammelt hat, sollte sich jetzt bewerben.

Wie geht die Bewerbung?

Schreibe bis zum 8. März eine E-Mail an [email protected], in der Du Dich kurz vorstellst (Name, Adresse, Telefonnummer, Interessen), uns sagst, warum du an dem Projekt teilnehmen willst – und in welcher Redaktion du am liebsten mitarbeiten würdest. Die erfolgreichen Kandidaten bekommen kurz darauf eine Einladung zur ersten Redaktionsversammlung.

Wie groß ist der zeitliche Aufwand?

Die Treffen von Schülern mit den Projektredakteuren finden Ende März bis Anfang April statt in den Redaktionen in Bautzen, Döbeln, Dresden, Görlitz, Meißen und Pirna. Hier werden erste Ideen für die Artikel entwickelt, in den Tagen danach entsteht ein Redaktionsplan. Zwischen April und dem Erscheinungstermin der Schüler-SZ im Juli finden etwa zwei Treffen pro Monat statt. Zudem benötigen die Schüler Zeit, um ihre Geschichten zu recherchieren.

Um welche Redaktionen geht es?

Wir suchen talentierte Schüler für alle 20 Lokalredaktionen der Sächsischen Zeitung. Lokaljournalisten sind nah dran am Puls der Zeit und am Alltag der Menschen. Wer in Dresden und Umgebung wohnt, kann sich auch für eine der Zentralredaktionen bewerben. Wer unbedingt mal einen Minister löchern will, sollte das Politikressort als Wunsch angeben. Wer gerne ins Theater geht oder über Kunst diskutiert, soll auch in der Kultur darüber schreiben dürfen. Wer verrückt nach Fußball ist, ist im Sport gut aufgehoben. Jeder soll sich dort verwirklichen können, wo seine Interessen liegen. Die SZ versucht, die Wünsche zu berücksichtigen.

Wie läuft der Produktionstag ab?

Am Tag vor dem Erscheinungstermin der Schüler-SZ, also am 5. Juli, werden alle beteiligten Schüler in den Redaktionen sein und an der Redaktionskonferenz teilnehmen. Abends sind die Schüler außerdem in die Druckerei der Sächsischen Zeitung eingeladen: Hier bekommen sie eine Führung durchs Haus und dürfen sich ihr persönliches Exemplar der Zeitung druckfrisch abholen.

Und nach der Schüler-SZ?

Wir wollen zeigen, wie spannend es ist, Zeitung zu machen. Außerdem sind wir auf der Suche nach Talenten. Für besonders begabte Schüler kann das Projekt Schüler-SZ Türen öffnen – für ein Praktikum, eine freie Mitarbeit oder einen Fördervertrag für journalistischen Nachwuchs.

Von Anna Hoben