Das Haus der Presse in Dresden.
Wie geht Journalismus

Was ist ein Volontariat?

Ein Volontariat ist der Einstieg in die meisten Journalistenberufe, ob Hörfunk, Fernsehen, oder eben Zeitung. Da dieser Blog vom Berufseinstieg handelt und auch von den SZ-Volos betrieben wird, stellen wir hier in einem kurzen Video vor, wie das Volontariat bei der Sächsischen Zeitung abläuft.

Bei der SZ gibt es meist vier bis sechs Volontär*innen zeitgleich. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und man tingelt durch die meisten überregionalen Ressorts und einige Lokalredaktionen. Zwischendurch gibt es Schulungen, Workshops, Projekte und einen einmonatigen Aufenthalt an der Henri-Nannen-Schule. Der Name Volontariat kommt eigentlich von Freiwilligkeit und damit hat es wenig zu tun. Ehrliches Geld für ehrliche Arbeit gibt es, na wenn das nichts ist!

In diesem kurzen Video erklären euch die Volontäre Niels und Martin, wie das Volontariat bei der Sächsischen Zeitung abläuft.

Ein Stapel Zeitungen liegt auf einem Tisch.
Erfahrungsbericht

Die Geschichte meines Volos

In zwei Jahren Volontariat entstehen viele spannende, bewegende und wichtige Artikel. Doch manche Texte bleiben einem dauerhaft im Gedächtnis. Deshalb stellen einige (ehemalige) Volontär*innen diese Geschichten hier vor – Angelina beginnt.

Ein kleiner, manchmal blasser, zweiter Streifen hat die Macht, das Leben einer Frau für immer zu verändern. Zumindest, wenn er auf einem Schwangerschaftstest erscheint. Während er für viele Frauen absolutes Glück und die Freude auf ein Baby bedeutet, kann er sich für andere Schwangere wie eine große Katastrophe anfühlen. Er kann der Anfang einer Erfahrung sein, die Frauen oft ihr ganzes Leben lang begleitet. Zumindest glaubt keine der Frauen, mit denen ich für meinen bisher wichtigsten Text gesprochen habe, dass sie irgendwann aufhören werden, an ihren Schwangerschaftsabbruch zu denken. Genau deshalb ist mir dieser Text auch so wichtig. Genau deshalb habe ich weiterrecherchiert, obwohl ich oft das Gefühl hatte, dem Thema vielleicht noch nicht gewachsen zu sein.

In meiner bisher aufwändigsten Recherche habe ich mich damit auseinandergesetzt, ob es überall in Sachsen möglich ist, eine ungewollte Schwangerschaft einfach und sicher abzubrechen. Auf die Idee, bin ich durch eine Geschichte im Tagesspiegel gekommen. In dem Text beschreibt eine Frau aus Bayern ihren Schwangerschaftsabbruch und all die Hürden, die ihr dabei begegnet sind. Aus anderen Artikeln zum Thema Schwangerschaftsabbruch wusste ich bereits, dass es in einigen Regionen (Süd-)Deutschlands schwierig sein kann, einen Arzt oder eine Ärztin dafür zu finden.

Ich habe mich deshalb gefragt, wie die Versorgungslage in Sachsen wohl ist. Also habe ich mir zunächst die Liste der Bundesärztekammer angesehen, in der sich alle Gynäkolog*innen eintragen können, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Allerdings ist diese Liste nicht vollständig und oft wird auch nicht erwähnt, welche Methoden die Arztpraxen und Kliniken anbieten. Also habe ich bei der Landesärztekammer aber auch bei einer Vielzahl von Beratungsstellen nachgefragt, wie sie die Versorgungslage in Sachsen beziehungsweise ihrer Region einschätzen. Schnell wurde klar: Ganz so schlecht wie in Bayern ist die Lage in Sachsen nicht. Verbesserungsbedarf besteht dennoch.

Ich wollte für meine Recherche unbedingt mit Frauen sprechen, die bereits eine Schwangerschaft in Sachsen abgebrochen haben. Deshalb startete ich einen Aufruf auf Social Media. Tatsächlich konnte ich mit mehreren Frauen persönlich über ihre Erfahrungen sprechen. Dass diese Frauen mir diese sehr intimen und emotionalen Geschichten anvertraut haben, war für mich eine große Ehre.

Vor dem Aufschreiben des fertigen Textes hatte ich großen Respekt. Ich sorgte mich, dem komplexen und kontroversen Thema nicht gerecht zu werden oder nicht neutral genug an die Sache herangegangen zu sein. Schließlich entschied ich mich dazu, meinen Text an der Geschichte einer der Frauen aufzuhängen, die mit mir gesprochen haben. Ihre Geschichte zeigte am besten, was für Schwangere in dieser Situation am wichtigsten ist. Das bedeutete gleichzeitig, dass ich andere Geschichten weglassen musste, was mir nicht leicht viel. Auch konnte ich aufgrund der schieren Menge an Informationen und Aspekten nicht alle meine Rechercheergebnisse in dem finalen Text unterbringen. So ist das aber oft. „Kill your Darlings!“, das wurde uns in der Henri-Nannen-Schule immer wieder eingebläut. Das bedeutet, dass man sich von Informationen und Geschichten trennen muss, auch wenn sie spannend sind, wenn ein Artikel dadurch an Verständlichkeit und Struktur gewinnt.

Im Nachhinein bin ich trotzdem froh, mir diese Recherche zugetraut zu haben. Denn von mehreren Beratungsstellen und Organisationen habe ich die Rückmeldung bekommen, dass er die Versorgungslage in Sachsen gut zusammenfasst und sie ihn als Referenz zu diesem Thema verwenden werden. Außerdem hat er mir gezeigt, dass man auch als eher unerfahrene Journalistin über ein komplexes und kontroverses Thema schreiben kann, wenn man sich wirklich reinhängt und genug Unterstützung von der Redaktion erhält, für die man gerade arbeitet.

Wer jetzt Lust bekommen hat, meinen Text zu lesen, der kann das hier tun:

Das Rathaus in Freital.
Erfahrungsbericht

Drei Monate Paartherapie

Angelina hat einen Sommer lang für die Lokalredaktionen in Freital und Pirna gearbeitet. Dabei hat sie gemerkt, dass ihre Liebesbeziehung zum Lokaljournalismus auch Krisen übersteht.

Ich verliebe mich leicht und oft. Doch nur selten wird aus meinen Schwärmereien eine ernsthafte Beziehung. Wenn ich mich aber auf eine Partnerschaft einlasse, dann hält diese für viele Jahre.

Und doch hat bisher keine meiner Beziehungen so lange gehalten, wie meine Liebe zum Lokaljournalismus – nämlich ganze sechs Jahre. Das ist kein Wunder, schließlich habe ich viel in die Beziehung investiert. Im Studium habe ich mehr gearbeitet als studiert. Außerdem bin ich für den Journalismus in viele deutsche Städte und sogar ins Ausland nach Tschechien gezogen. Doch diesen Sommer hat die kleine Stadt Freital meine Liebe auf ihre bisher härteste Probe gestellt:

Der erste Artikel, mit dem mich mein neuer Chef in Freital beauftragt hat, war ein echter Lokaljournalismus-Klassiker: die Eröffnung der Freibad-Saison. Darüber hatte ich auch in der Vergangenheit schon geschrieben. Dementsprechend selbstbewusst habe ich mich also auf den Weg ins Freibad gemacht. Dort angekommen merkte ich jedoch schnell, dass ich mich wohl überschätzt hatte. Denn obwohl ich mich angekündigt hatte und wirklich freundlich war, hatten die Bademeister vor Ort so gar keine Lust, mit mir über ihre Arbeit zu sprechen.

Sie wollten nicht in der Zeitung erwähnt werden. Dabei ging es ja nur um die Reinigung von Becken und Liegewiesen und nicht um ihre Einschätzung des Nahostkonflikts.  Zu groß war das Misstrauen gegenüber den Medien und damit auch mir. Außerdem kannten sie mich nicht. Ich war neu in Freital und das sah man mir wohl an. Denn auch der Fotograf, der wenig später hinzukam, fragte: „Du bist nicht von hier, oder?“

Trotzdem hat er mir geholfen. Gemeinsam konnten wir den Bademeister-Azubi davon überzeugen, sich fotografieren zu lassen. Außerdem stimmte einer seiner Kollegen am Ende zu, ihn mit Vornamen zitieren zu dürfen. Ich hatte also alle Informationen, die ich für den Artikel brauchte und war trotzdem ziemlich gefrustet.

Szenen wie diese wiederholten sich. Ein Autohaus-Inhaber wollte nicht mit mir über seine neu installierte E-Ladesäule sprechen. Dabei kann so ein Zeitungsartikel ja durchaus für nützliche Aufmerksamkeit sorgen. Irgendwann begann ich wirklich an mir selbst zu zweifeln. Spreche ich die Leute nicht richtig an? Komme ich falsch rüber? Was kann ich ändern? All diese Fragen kreisten in meinem Kopf. Schließlich kam auch ein-, zweimal der Gedanke auf, ob ich hier überhaupt richtig bin.

Zweifel, die kann und sollte man immer haben. Doch eine langjährige Beziehung deshalb einfach aufzugeben, das kam für mich nicht infrage. Also bat ich meinen Chef um Tipps für die Ansprache von möglichen Protagonist*innen. Ich überlegte mir eigene Themen und schrieb fleißig große und kleine Texte. Ich testete die Freitaler Imbisse auf ihr vegetarisches Angebot, begleitete Kinder zu ihrem ersten Schwimmkurs nach dem Lockdown und traf eine Klimaaktivistin zum Interview.

Und dann kam Marcus Loesdau, ein junger Rettungssanitäter, der nach Feierabend jede freie Minute bei der Freiwilligen Feuerwehr in Freital arbeitet. Eine wirklich interessante Persönlichkeit, die ihr ganzes Leben der Rettung von Menschen widmet. Ohne meinen Job hätte ich Marcus Loesdau nie kennengelernt und damit hätten ich und viele Leser*innen eine wirklich spannende Geschichte verpasst. Spätestens da wurde mir wieder bewusst, warum ich den Lokaljournalismus so liebe: Weil die besten Geschichten meist gleich nebenan passieren. Man muss sie nur suchen und erzählen.