In den vergangenen Wochen hat die Redaktion der Sächsischen Zeitung auf eine besondere Ausgabe hingearbeitet. Zum 77. Geburtstag sind neben aktuellen Themen auch Artikel zu unserer Arbeit, dem Haus und uns – den Journalist:innen erschienen. Wir wurden gefragt, warum wir uns eigentlich für das Volontariat entschieden haben, und wie wir den Journalismus in der Zukunft sehen. Hier findet ihr unsere Antworten: Sieben Liebeserklärungen zum 77.
Empathie lässt sich nicht downloaden
Connor Endt
Sechs Uhr, der Wecker klingelt. Ich schäle mich aus dem Bett, ziehe Funktionsklamotten an. Zwanzig Minuten später holt mich meine Kollegin ab. Wir fahren in ein Waldgebiet, das von Umweltschützern besetzt wird. Drei Tage lang sind wir bis 22 Uhr auf den Beinen. Hetzen durch ein mehrere Hektar großes Areal, während über uns ein Helikopter kreist und Menschen aus Baumhäusern geräumt werden. Wir sprechen mit Umweltschützern, einer Anwohnerin und Polizisten. Einen Artikel schreibe ich auf der Rückbank, während meine Kollegin uns zurück nach Dresden fährt. Beim Einschlafen habe ich immer noch das Rattern der Rotorblätter im Ohr.
Aber genau das ist es, wofür ich jeden Tag gerne aufstehe. Bei der Arbeit als Journalist bedeutet beinahe jeder Tag eine Überraschung. Jeden Tag trifft man Menschen, die man sonst niemals treffen würde. Taucht ein in Welten, die einem Großteil der Menschen verschlossen bleiben.
Als Journalist bin ich Augen und Ohren unserer Leser, egal ob bei Waldräumungen, Demos oder Kreistagssitzungen. Das ist ein großer Vertrauensbeweis.
Doch die Welt des Journalismus verändert sich aktuell rapide. Künstliche Intelligenz wird immer besser darin, eigene Texte zu produzieren oder Bilder zu generieren. Social Media wird überflutet mit Bildern von der Festnahme von Donald Trump oder Wladimir Putins Kniefall vor dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Beide Bilder sind Fälschungen, von Künstlicher Intelligenz generiert.
Noch erkennen wir den Unterschied zu Bildern, die von echten Fotografen geknipst wurden. Aber die KIs lernen ständig dazu und werden schnell besser. Wenn immer mehr Inhalte generiert werden, die nicht echt sind, wird Vertrauen immer wichtiger.
Dazu müssen Journalisten auch in Zukunft um sechs Uhr aufstehen und beschreiben, was sie sehen und hören. Denn eine Sache ist klar. KI kann zwar jede Menge Daten sammeln und analysieren, aber sie kann keine menschlichen Erfahrungen und Emotionen nachvollziehen. Empathie, Intuition und kritische Denkweisen lassen sich nicht downloaden.
Worte, die die Welt verändern
Natalie Stolle
Schreiben, das lag mir schon immer. Zumindest wurde mir das Zeit meines Lebens nachgesagt. Geschichten, lang oder kurz, schwulstig oder nüchtern – es gibt fast nichts, was ich nicht schon ausprobiert hätte. Als sich die Fragen schließlich häuften, was ich in meinem Leben machen möchte, war mir klar, es wäre toll, wenn ich beim Schreiben bleiben könnte. Und gewissermaßen bin ich das auch.
Journalistisches Schreiben ist definitiv anders als kreativ zu schreiben, doch das eine schließt das andere nicht aus. Recherchieren, interviewen und Artikel verfassen mag im ersten Moment nach sich immer wiederholender Arbeit klingen. Manchmal ist es das auch. Aber manchmal hat man eben auch das Glück, auf ganz außergewöhnliche Menschen zu treffen.
Wie im Kreativen habe ich dabei die Möglichkeit, die Geschichten dieser Menschen festzuhalten, nur, dass sie eben real und nicht fiktiv sind. Ich erinnere mich an Hip-Hop-Musiker, meine ersten Interviewpartner, an eine neunzehnjährige Feuerwehrleiterin, an einen pensionierten Extremwanderer, an Gespräche über Roboter, Politik, Wirtschaft und das ganz persönliche Leben, in das ich oft Einblicke bekommen habe.
Journalismus kann mir all das zeigen, Lebensentwürfe, Weltansichten, Missstände und Erfolge. Ich wiederum kann das Erlebte in Worte verpacken und anderen Menschen die Chance geben zu hören, was ich gehört habe, zu sehen, was ich gesehen habe. Mit Blick auf Länder, in denen Presse- und Meinungsfreiheit nicht gegeben sind, wird mir selbst mit den Jahren immer klarer, wie wichtig der Journalismus ist.
Ich bin gern ein Teil davon, auch wenn es nicht immer leicht ist. Als junge Frau wird man manchmal gern belächelt, nicht direkt ernst genommen, wenn man seine Fragen stellt, aber inzwischen mag ich diese Herausforderung auch. Denn meine wahre Stärke sind die Worte, die ich zu Papier bringe. Und wenn alte wie auch neue Geschichte eins gezeigt hat, dann, dass Worte die Welt verändern können.
Irgendwas mit Medien und Menschen
Niels Heudtlaß
Ich will Journalist werden! Dieser Gedanke festigte sich erst spät in meinem Studium. Schließlich ist mit Politikwissenschaft alles möglich: „Politiker oder Taxifahrer, beides eben mit viel Gelaber“, wie mein Vater gerne kritisch anmerkte. Doch nach einem Praktikum bei der Lokalzeitung meines Studienortes Trier kam für mich nur noch eines infrage: Ich wollte schreiben und das für eine Zeitung.
„Aber Zeitungsjournalismus ist doch tot“, klang es aus allen Ecken meines Bekannten- und Familienkreises. „Wenn du irgendwas mit Medien machen willst, mach doch lieber was Modernes“, ging die Leier oft weiter. Dabei gibt es für mich nichts Zeitloseres und Interessanteres als Informationen zu sammeln, Fakten zu recherchieren und daraus spannende Geschichten zu formen.
Journalismus ist nicht nur „irgendwas mit Medien“, sondern „das mit Medien“. Ob meine Texte am Ende in einer Zeitung, auf einer Internetseite oder auf Social Media erscheinen, ist mir ziemlich egal. Prozess und Anspruch des Journalismus bleiben derselbe – gut recherchiert und spannend erzählt.
Warum aber zu einer klassischen Zeitung und dann auch noch regional über Sachsen berichten? Weil ich nicht nur irgendwas mit Medien machen wollte, sondern auch irgendwas mit Menschen – sehr genau formulierte Ziele also. So eng zugeschnitten wie der Beruf des Journalisten.
Ich habe mich im Nachhinein des Öfteren gewundert, dass ich nicht in der Mosel ertrunken bin, so blind lief ich als Student durch Trier. Erst in meiner Zeit als freier Journalist dort habe ich den Ort, in dem ich zuvor bereits jahrelang gelebt habe, wirklich kennengelernt. Und wie? Indem ich mit Menschen vor Ort gesprochen und ihre Geschichten und Probleme aufgeschrieben habe. Auf diese Art möchte ich auch Sachsen weiter kennenlernen und euch davon berichten. Das ist ein besonderes Privileg des Journalismus, und deswegen wird er so lange existieren, wie Menschen Geschichten zu erzählen und Probleme zu bewältigen haben.
Weil das Leben nie langweilig wird
Simon Lehnerer
Ich habe mich für eine berufliche Laufbahn als Journalist entschieden, weil es in diesem Job nie langweilig wird und es immer Neues zu entdecken gibt. Täglich erfahre ich etwas über Themen, mit denen ich mich vorher noch nie auseinandergesetzt habe. Außerdem habe ich durch den Journalismus die Möglichkeit, Situationen sichtbar zu machen, die sonst nur wenig oder gar keine Aufmerksamkeit erhalten, und kann die Leserinnen und Leser an Orte mitnehmen, die sie sonst nicht kennenlernen würden.
Gerade im Lokaljournalismus denke ich mir oft: „Wenn ich nicht über dieses Thema in dem kleinen Dorf in der Sächsischen Schweiz schreibe, dann tut es niemand.“ Oft sind an jenen unscheinbaren Orten, wo es fast keiner mitbekommt, tolle Geschichten zu finden. Zudem finde ich es spannend, als Pressevertreter besondere Einblicke in Institutionen aller Art zu bekommen. Ich darf hinter die Kulissen blicken, Fragen stellen, egal ob sie angenehm oder unangenehm für mein Gegenüber sind. Insgesamt kann ich also guten Gewissens behaupten, mich für das richtige Berufsfeld entschieden zu haben.
Nur, wie steht es um die Zukunft des Journalismus – gerade im Bereich der Tageszeitungen? Ich denke, das Ende des Printjournalismus ist absehbar, und die Arbeit von Journalisten wird sich immer crossmedialer ausweiten. Sprich: Reporter werden nicht mehr einfach zu Terminen gehen und danach alles in den Computer tippen, sondern spielen ihren „Content“ auf mehreren Kanälen im Internet aus. Video-Reportagen, wie die von Formaten wie „follow me reports“ oder „strgf“, werden immer beliebter, und auch Podcast eroberten die Branche in den vergangenen Jahren im Sturm.
Ich denke nicht, dass überhaupt niemand mehr Zeitung lesen wird, aber die junge Generation verlagert ihren Konsum von Nachrichten auf YouTube, Instagram und Co. Daher ist es umso wichtiger, dass zukünftige Journalisten fit im Umgang mit den Apps und Programmen sind, die von den jungen Leuten genutzt werden. Andernfalls erreichen wir sie nicht mehr.
Hinter den Türen, die sonst verschlossen sind
Fionn Klose
Alles begann mit einer Kamera, die ich zum Aktionspreis in einem überregional bekannten Technikgroßhandel erwarb. Und einem Formular der Jugendpresse Sachsen. Ein paar Wochen später kam mein Jugendpresseausweis, genau an dem Tag, an dem Pegida eine große Kundgebung in Dresden ankündigte.
Ich ging dorthin, machte meine Fotos, veröffentlichte kleine Berichte über die Demo auf einem Blog. Die Anfänge meiner journalistischen Arbeit.
Mir hat das viel Spaß gemacht, das viele Rumrennen, mit Leuten auf allen Seiten reden, die Situation genau beobachten, Fotos machen. „Das mache ich mal beruflich“, dachte ich mir. Und jetzt sitze ich hier, als Volontär der SZ, recherchiere, schreibe meine Texte, suche mir Themen, rede mit vielen Leuten, mache ab und an noch Fotos und marschiere mit meinem Presseausweis durch Polizeisperren.
Das Schöne daran ist auch, dass Journalismus nicht nur Schreibtischarbeit ist. Man muss auch draußen vor Ort sein und mit eigenen Augen sehen, was passiert.
Und dann im Büro, am PC das Sprachrohr zur Welt sein. Das, was man gesehen hat, wiedergeben. Von Erlebnissen und Abenteuern erzählen, über die nicht so viele erzählen können. Denn auch das ist ein Grund, warum ich Journalist geworden bin. Es können sich einem Türen öffnen, die für die Allgemeinheit sonst verschlossen bleiben. Dann kann man dahinterschauen und einen eigenen Zugang für alle schaffen, indem man darüber schreibt. Finde ich schon sehr spannend.
Ich will auf jeden Fall weiter als Journalist arbeiten. Ich würde auch gerne mal dafür durch die Welt reisen, Reportagen schreiben, an Orte gehen, an denen es auch mal ungemütlich werden kann. Und auf Missstände aufmerksam machen. Aber leider, so denke ich, wird das Ganze nicht mehr lange in einer gedruckten Zeitung zu lesen sein.
Online first, so lautet das Stichwort. Find ich schon schade, weil ich es eigentlich immer cool fand, die Zeitung von meinen Eltern in der Hand zu haben und dann so zu tun, als verstünde ich alles, was drinsteht. Und dann schwarze Finger von der Druckerschwärze zu bekommen. Auch eine Sache, die mich zum Journalismus brachte.
Karla Kolumna 2.0
Lucy Krille
Mein Weg in den Journalismus begann indirekt schon mit den Hörspielen von Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen. Als Kind habe ich die Kassetten so oft angehört, bis das Band von der Spule fiel. Die Hexe und der Elefant leben in den Geschichten in einer kleinen Stadt. Immer dabei: die „rasende Reporterin“ Karla Kolumna mit ihrem roten Roller.
Als Jugendliche fiel mir die Berufswahl schwer, denn ich habe mich für vieles gleichzeitig interessiert. Dann kam mir wieder Karla Kolumna in den Sinn, denn die muss sich gar nicht entscheiden: Sie schlüpft jeden Tag in andere Rollen und lernt dabei auch noch immer wieder dazu. Als Journalistin ist sie mittendrin im echten Leben, egal ob Schule, Fußballstadion oder Rathaus.
Schnell war mir klar, dass Journalismus viel komplexer ist als „sennsationelll“ (Karlas Lieblingswort). Längst reicht es nicht mehr aus, bei Veranstaltungen oder Ereignissen dabei zu sein. Vielmehr müssen wir eigene Themen setzen, Debatten anregen und vor allem: zuhören. Gerade im ländlichen Raum ist die SZ oft die einzige Zeitung, an die sich die Menschen wenden können, wenn sie Fragen haben. Ungerechtigkeiten nachzugehen, auch das gehört zu unserem Job.
Dass unsere Texte in zehn Jahren noch in der Zeitung stehen, ist eher unwahrscheinlich. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen ist das nachvollziehbar, auch wenn ich das Rascheln des Papiers zwischen den Fingern vermissen werde. Im Freundeskreis bin ich eine der wenigen, die noch Artikel auf Papier lesen. Selbst meine Eltern haben jetzt das E-Paper bestellt. Längst haben auch Podcasts, Reels und Newsletter den Markt erobert.
Aber mit der Zeitung ist es vielleicht wie mit meinen Bibi-Blocksberg-Kassetten: Sie werden langsam überholt, und damit müssen wir umgehen. Doch die Inhalte bleiben wichtig! Die meisten wollen doch wissen, was in der Welt und vor allem in ihrer Nähe passiert. Und auch, wenn mir noch keine Hexe und kein sprechender Elefant begegnet sind, hält die Region immer wieder spannende Geschichten bereit.
Mit Herzblut gegen die Maschinen
Moritz Schloms
Ich wollte Journalist werden, obwohl ich in der Schule bei Diktaten regelmäßig schlechte Noten kassierte. Meine Kommas waren überall, nur nicht an den richtigen Stellen. Journalist wollte ich trotzdem werden. Ich habe den Drang, immer Neues lernen zu wollen und meine Neugier zu stillen. Das kann ich mit der Arbeit als Journalist: Jeden Tag etwas Neues erleben und darüber berichten.
Mit der Zeit wurde meine Rechtschreibung besser, meine Kommas landeten immer öfter an den richtigen Stellen. Dafür musste ich viel Schreiben üben. Doch jetzt, so scheint es, war das alles umsonst.
Denn mittlerweile gibt es jemanden, der schneller schreibt als jeder Journalist: ChatGPT. Künstliche Intelligenzen wie der Chatbot sind mittlerweile so fortgeschritten, dass sie Texte verfassen können, die von echten Menschen geschrieben worden sein könnten.
Das wird nur der Anfang sein. ChatGPT schreibt und schreibt und schreibt. Eine Künstliche Intelligenz hat keine schlechten Tage, lungert nicht an der Kaffeemaschine rum und liefert Texte immer vor der Deadline ab, nie danach. Ein Traum für jeden Chef. Direkte Konkurrenz mit einer Künstlichen Intelligenz? Braucht es Journalisten noch?
Auch wenn KI-Systeme mittlerweile schneller schreiben als wir, so haben wir doch einen unschlagbaren Vorteil: Wir haben Herzblut und Leidenschaft für unseren Beruf. Wir lieben es, uns in Themen zu vertiefen, uns mit Menschen auszutauschen und ihre Geschichten aufzuschreiben. ChatGPT stellt keine kritischen Fragen, besucht keine Pressekonferenzen und liest auch keine Leserbriefe.
Aber die Möglichkeiten von ChatGPT werden den journalistischen Alltag verändern. Das bringt neue Herausforderungen, gerade für angehende Journalisten wie mich. Und wie wir mit den neuen Herausforderungen umgehen können, wird ChatGPT uns nicht beantworten können. Zum Glück sind wir neugierig. Wir werden es herausfinden.